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Roms seit Jahren schwelende Müllkrise hat sich über Weihnachten dramatisch zugespitzt.

Foto: AP Photo/Andrew Medichini

Immerhin: Die Schulen in Rom haben nach den Ferien den Unterricht wieder aufgenommen. Das war bis Sonntag noch infrage gestellt. Denn der Präsident der Schulvorsteher, Mario Rusconi, hatte vergangene Woche damit gedroht, dass einzelne Schulen geschlossen bleiben. Um die meisten der etwa 3.000 Schulgebäude lag massenhaft Abfall. "Der Müll wird zu einer Gefahr für die Gesundheit der Schüler", schrieb Rusconi. Angelockt vom stinkenden Abfall hätten sich schon Ratten in die Klassenzimmer verirrt.

Die Schulen sind am Wochenende in einem von Bürgermeisterin Virginia Raggi rasch verordneten Sondereinsatz der Müllabfuhr von den Abfallbergen – zumindest einigermaßen – befreit worden. Die Notfallmaßnahme ändert aber denkbar wenig daran, dass sich die seit Jahren schwelende Müllkrise über Weihnachten dramatisch zugespitzt hat.

Römer sollen selber kehren

Der Grund: Mitte Dezember ist eine Abfallsortieranlage im Norden Roms in Flammen aufgegangen. Gleichzeitig wurde über die Festtage mehr Müll als üblich produziert. Und weil die Müllabfuhr mit den täglich anfallenden 5.000 Tonnen Hausmüll überfordert ist, sollen nun die Römer selbst Besen und Schaufel zur Hand nehmen. Das "Einbeziehen der Anwohner beim Sauberhalten der Straßen" ist in einem neuen Reglement vorgesehen, das Raggi am Dienstag dem Stadtparlament vorgelegt hat. Wo die Bürger den Dreck hinbringen sollen, verrät das Regelwerk freilich nicht.

Die neuen Regeln sind eine politische Bankrotterklärung Raggis. Aber das Problem ist ein grundsätzliches: In der Drei-Millionen-Einwohner-Metropole existiert keine einzige Müllverbrennungsanlage. Bis vor wenigen Jahren wurde fast der gesamte Abfall Roms auf die Deponie Malagrotta am Stadtrand gekarrt. Raggis linker Vorgänger Ignazio Marino hatte die seit Jahren laut EU-Regeln illegale Deponie im Jahr 2013 geschlossen. Dabei vergaß er aber, eine alternative Entsorgungslösung zu entwickeln. Und auch Raggi von der Protestbewegung Cinque Stelle hat zweieinhalb Jahre nach ihrer Wahl kein Konzept, wie die Müllkrise gelöst werden könnte.

Bürgermeisterin gegen Müllverbrennungsanlagen

Die einzige Lösung wäre der Bau moderner Müllverbrennungsanlagen. Doch davon will Raggi nichts wissen: Für sie sind die Öfen wegen der Abgase Teufelswerk. Raggi setzt auf Müllvermeidung, Mülltrennung und Wiederverwertung zu 100 Prozent. Dass der Anteil des getrennt eingesammelten Abfalls in Rom kaum mehr als 50 Prozent ausmacht, blendet sie aus. So wird seit der Schließung der Malagrotta-Deponie mehr oder weniger der gesamte Römer Müll exportiert – großteils in die Verbrennungsanlagen in Norditalien, aber auch ins Ausland. Das kostet die Stadt jedes Jahr Millionen.

Nicht nur in Rom, in ganz Süditalien herrscht ein dramatischer Mangel an Müllverbrennungsanlagen. Die wenigen Öfen können bei weitem nicht den gesamten Abfall bewältigen. Der Rest verschwindet teils in Deponien, wobei die Mafia insbesondere bei der Sondermüllbeseitigung kräftig mitmischt. Zum Teil wird er teuer exportiert.

"Wir stehen vor einem nationalen Notstand", sagt Filippo Brandolini, Vizepräsident des Dachverbands der öffentlichen Entsorgungsbetriebe Italiens, Utilitalia. Als Gegenmaßnahme, so der Experte, müssten in Italien mindestens vier Milliarden Euro in neue Anlagen investiert werden. (Dominik Straub aus Rom, 10.1.2019)