Wien – In der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) gibt es Ärger über einen Funktionär aus den eigenen Reihen. Josef Hübner, einst Vorstandsmitglied der Postgewerkschaft und mittlerweile bei der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst tätig, lobte in einem Brief die Politik der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ und attackierte in einem weiteren jene der Wiener SPÖ.

Laut mehreren Medienberichten zollte Hübner in dem Brief (auf FSG-Briefpapier) an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) den Regierungsspitzen Anerkennung für deren Sozialpolitik. Der Brief an die beiden Parteichefs datiert laut "Tiroler Tageszeitung" vom 10. Jänner, darin goutierte er etwa die Regierungspolitik zur Mindestsicherung und attackierte "Gutmenschen-Organisationen". Außerdem erklärte Hübner laut "TT": "Österreich darf nicht das Sozialamt der EU werden." Für den blauen Innenminister Herbert Kickl gab es hingegen lobende Worte.

"Spritzwein-Häupl"

Im Brief an Wiens Bürgermeister Michael Ludwig vom 15. Jänner zeigte Hübner sich enttäuscht, dass die Politik der Wiener SPÖ nach "dem Abgang von 'Spritzwein-Michael-Häupl'" nicht besser geworden sei. Explizit kritisiert habe er Sozialstadtrat Peter Hacker, so die "TT".

Laut dem Bericht der Zeitung hat nun FSG-Bundesgeschäftsführer Willi Mernyi den Fraktionskollegen zum Rücktritt aufgefordert. In einem an den "sehr geehrten Herrn Hübner" gerichteten Schreiben erklärte Mernyi, wenn Hübner die beschlossenen Positionen der FSG nicht mittragen kann oder will, ersuche er ihn "doch einfach, unsere Organisation, die sozialdemokratischen GewerkschafterInnen, zu verlassen".

Mit der SPÖ seit Zeit im Mutterleib verbunden

Auf Nachfrage des STANDARD zeigte sich Hübner von der Austrittsaufforderung seines roten Kollegen unbeeindruckt. Er sehe überhaupt keine Veranlassung, das politische Lager zu wechseln, schließlich sei er "quasi seit der Zeit im Mutterleib" mit der SPÖ verbunden. Für einen Wechsel hält er sich mittlerweile für "zu alt", lieber wäre ihm, die SPÖ würde ihr Programm ändern.

Vom Auftauchen seines Briefs an Ludwig gibt sich Hübner überrascht. Er selbst habe das Schreiben bestimmt nicht an die Öffentlichkeit gespielt. Womöglich habe jemand aus dem Sekretariat des Rathauses Gefallen an seinem Brief gefunden und ihn deshalb an die Medien weitergegeben, mutmaßt er.

In Hübners roter Fraktion bei der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) herrscht Unverständnis über seine Vorgangsweise. Den FSG-GÖD-Vorsitzenden Hannes Gruber ärgert, dass Hübner seine Einlassungen auf offiziellem Briefpapier der FSG übermittelt hat, was bei der Kundgabe privater Einzelmeinungen völlig unangebracht sei. Niemand in der FSG teile Hübners Position, sagt Gruber zum STANDARD. Er werde beim kommenden Fraktionsvorstand, bei dem über den Umgang mit der Causa diskutiert werden soll, für Hübners sofortigen Ausschluss plädieren.

Anzeige wegen Verhetzung

Hübner ist schon früher mit scharfer Kritik an den eigenen Reihen aufgefallen. Zuletzt – im vergangenen Juli – zeigte er den Vorsitzenden der Postgewerkschaft, Helmut Köstinger, wegen des Verdachts auf Verhetzung an. Anlass war eine kurze Ansprache Köstingers bei der Großdemonstration des ÖGB gegen die Ausweitung der Maximalarbeitszeit, bei der Köstinger zum "Sturz" der Regierung aufgerufen hatte. (Theo Anders, APA, 16.1.2019)