Ich habe mich von der Mutter meines Sohnes Paul vor zwei Jahren getrennt. Die Trennung war nicht einfach. Plötzlich waren wir keine traditionelle Familie mehr. Die wichtigste Frage war: Wie geht es weiter? Wir stellten fest, dass uns räumliche Nähe trotz aller Differenzen wichtig ist. Wir kommen beide aus anderen Bundesländern, haben daher keine familiäre Unterstützung. Der Freundeskreis ist selbst mit Kindern eingespannt. Wer, wenn nicht wir selbst, können uns helfen, wenn Paul einmal krank ist?

Wir überlegten uns daher, wie wir getrennt am besten wohnen können. In unserer individualisierten Welt jammert jeder, dass es so anstrengend ist mit Kindern, daher finde ich Wohnprojekte gut, die die Gemeinschaft fördern. Das afrikanische Sprichwort stimmt: Man braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen.

Für David Knapp ist die Seestadt fast wie ein Dorf, mit der Mutter seines Kindes als Nachbarin.
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Mutter im Nachbarhaus

Wir haben eine super Lösung gefunden: Geworden ist es ein gemeinschaftliches Wohnprojekt in der Seestadt Aspern, das den Austausch mit den Nachbarn ermöglicht. Jetzt wohne ich zwar nicht, wie ursprünglich geplant, in einer Familienwohnung, sondern in einer kleineren, und die Mutter von meinem Sohn wohnt direkt im Nachbarhaus.

Für uns beide ist es praktisch, dass Paul nur eine Minute hin und her gehen muss. Für ihn ist die Sache einfach: Der Papa wohnt in dem einen, die Mama in dem anderen Haus, und er hat in jeder Wohnung ein Kinderzimmer. Das Wechseln zwischen den Wohnungen hat sich eingependelt. Wir essen manchmal gemeinsam zu Abend, machen Ausflüge, und er kriegt mit, dass seine Eltern miteinander reden. Unser Grundübereinkommen ist, den anderen vor unserem Sohn nie schlechtzumachen. Klar, wir stimmen in der Erziehung nicht immer hundertprozentig überein, aber unser Sohn kann unterscheiden, was er bei wem darf.

Wir haben das gut hingekriegt: Paul verbringt bei mir fast gleich viel Zeit wie bei seiner Mutter. Die Werktage sind fix aufgeteilt. Die Wochenenden haben wir klar organisiert, damit es weniger Reibungspunkte gibt. Mittlerweile sind wir schon flexibel – wenn einer spontan ein Wochenende wegfahren will, ist das ohne Probleme möglich.

Vater und Sohn bei Kartenspielen.
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Nachbarschaft leben

Unsere Hausgemeinschaft ist angenehm. Unten gibt es ein von uns organisiertes Lokal, das als Nachbarschaftstreff dient. Eltern kommen dorthin, um einen geselligen Abend zu verbringen, ohne weit wegfahren zu müssen. Wir machen aber auch Veranstaltungen, Lesungen, Kindergeburtstage mit Disco und am Wochenende Brunch. Es ist fast wie ein Dorfplatz. Es gibt viel Austausch im Haus, wenn man das will. So habe ich mir das Umfeld für mein Kind vorgestellt.

Kinder rund ums Haus

Das Beste ist, dass wir viele Kinder in der Seestadt haben und große Grünflächen zwischen den Häusern. Paul, der mittlerweile fast sechs Jahre alt ist, geht dann einfach runter zu seinen Freunden. Wenn er etwas braucht, ruft er. Ich sitze im ersten Stock am Balkon. Das habe ich mir immer gewünscht: Die Kinder haben ein Stück weit ihre Freiheit, und es ist wie auf dem Land, man muss nicht stundenlang am Kinderspielplatz daneben sitzen. Das ist viel wert. Ich finde es schön, wenn Kinder so frei spielen dürfen.

Wir haben das Familienleben nach der Trennung gut gelöst. Ich und meine Exfreundin erziehen unseren Sohn gemeinsam. Was ich nämlich auf gar keinen Fall sein möchte, ist ein Wochenendvater. Ich will unbedingt die Selbstverständlichkeit aufrechterhalten, dass Paul hin und her gehen kann, wie er es gerne möchte. (Familienprotokoll: Marietta Adenberger, 19.1.2019)