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24. Juli 2010: Dichtgedrängte Menschenmasse bei der Loveparade in Duisburg, kurz vor der Katastrophe.

Foto: dpa/Daniel Naupold

Paco Zapater, ein Rechtsanwalt aus Spanien, kann es nicht fassen. 30-mal ist er mit seiner Frau nach Düsseldorf gereist, um dort als Nebenkläger den Prozess zu verfolgen. Und nun sieht es so aus, als würde die strafrechtliche Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe von 2010 in Duisburg nicht mehr weitergehen. "Es fühlt sich so an, als sei unsere Tochter zum zweiten Mal gestorben", sagt Zapater.

Verloren hat er Clara am 24. Juli 2010. 22 Jahre war sie alt, sie wollte in Duisburg zu Technoklängen tanzen und feiern. Doch der Zugangsweg zum Veranstaltungsort am ehemaligen Duisburger Güterbahnhof war viel zu eng. Es kam zu einer Massenpanik, 21 Menschen starben, mehr als 650 wurden zum Teil schwer verletzt.

Rasch tauchte die Frage nach der Schuld auf. "Ich glaube, wir müssen jetzt schnell aufarbeiten. Es muss deutlich werden, welche Verantwortlichkeiten wo lagen, und dann muss man auch die Konsequenzen ziehen", sagte die damalige Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft (SPD).

Doch "schnell" war es beileibe nicht, wie die Aufarbeitung vorangetrieben wurde. Im Gegenteil. Erst siebeneinhalb Jahre später, im Dezember 2017, begann die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Duisburg, das wegen des umfangreichen Verfahrens eigene Räumlichkeiten der Messe Düsseldorf anmietete.

Klärendes "Rechtsgespräch"

58 Zeugen und acht Sachverständige sind bisher angehört worden, auf der Anklagebank sitzen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter der Veranstalterfirma Lopavent. Ihnen wird fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Doch möglicherweise findet der Prozess nun schneller ein Ende, als mancher gedacht hat. In einem sogenannten "Rechtsgespräch", an dem 24 Verteidiger, 26 Nebenklage-Vertreter, drei Staatsanwälte und drei Richter teilnahmen, stellte das Gericht eine Einstellung des Verfahrens in den Raum.

Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: Die Richter sehen bei sieben Angeklagten nur eine "geringe", bei drei Lopavent-Beschäftigten maximal "mittlere" Schuld, aber keine "schwere". Zweitens drängt die Zeit. Die strafrechtlichen Vorwürfe verjähren nach zehn Jahren. Bis Juli 2020 müssten also Urteile fallen. Doch das ist kaum zu schaffen, es stehen noch 575 Zeugen auf der Liste.

Bedenkzeit bis Februar

Die Beteiligten haben nun einige Wochen Bedenkzeit, die Entscheidung über das weitere Vorgehen soll im Februar fallen. Alle Parteien müssen sich einig werden, ob es Auflagen geben soll. Ja, sagen die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage-Vertreter. Sie wollen, dass die Angeklagten eine bestimmte Geldsumme zahlen. Die Rechtsbeistände der Angeklagten aber lehnen dies ab.

Opferanwalt Julius Reiter zeigt Verständnis für die Überlegungen zu einer Einstellung: "Wir wissen, wie schwer es ist, die strafrechtliche Verantwortung eines Einzelnen zu bestimmen und zu sühnen." Er und andere Anwälte von Hinterbliebenen und Verletzten wollen jedoch mit dem Einstellungsbeschluss die Grundlage für Schadenersatzansprüche an die Stadt Duisburg und das Land Nordrhein-Westfalen schaffen. (Birgit Baumann aus Berlin, 17.1.2019)