Sie wollte weg, ein neues Leben beginnen, berichten Nachbarn. Stattdessen endete das Leben der 40-Jährigen Anfang Jänner auf brutale Weise. In der Küche der Erdgeschoßwohnung in Amstetten beginnt der mutmaßliche Täter, ihr Ehemann, auf seine Frau einzustechen. Sie versucht zu fliehen, er verfolgt sie, sticht weiter zu. Am Ende werden es 38 Messerstiche, drei der Kinder müssen die Tat mitansehen. Das Opfer verblutet vor dem Wohnhaus, der Täter wird wenige Stunden später festgenommen.

In den darauffolgenden zwei Wochen sind drei weitere Verbrechen zu beklagen, bei denen Frauen getötet wurden. Die Hintergründe der Taten sind unterschiedlich. Doch die Gemeinsamkeit in allen Fällen deutet auf ein gesellschaftliches Grundproblem hin: Alle vier Frauen wurden von Männern aus ihrem engeren sozialen Umfeld getötet. Aufgerüttelt davon will nun die Politik aktiv werden.

Die Regierung präsentierte dazu am Donnerstag ihr Maßnahmenpaket. Angekündigt wurden dabei unter anderem mehr Übergangswohnungen für Betroffene, eine vereinfachte bundesländerübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Frauenhäusern, eine dreistellige Notrufnummer sowie härtere Strafen für Wiederholungstäter. Bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung soll es künftig keine gänzlich bedingten Freiheitsstrafen geben. Beim Verein Neustart, der Teil der von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) geleiteten Taskforce Strafrecht ist, hält man von höheren Strafen allerdings wenig.

Frauen- und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) präsentierte mit Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Außen- und Integrationsministerin Karin Kneissl (von der FPÖ nominiert) neue Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen Gewalt an Frauen.
Bundeskanzleramt Oesterreich

"Der überwiegende Teil solcher Taten passiert im Affekt", sagt Nikolaus Tsekas, Leiter des Wiener Neustart-Büros. "Kein Mann hält inne und denkt daran, dass die Strafe für diese Tat nun höher ist, und tut es dann doch nicht." Studien belegten zudem, dass jene Täter, die besonders lange im Gefängnis sind, eine höhere Rückfallquote aufweisen. Effektiver sei es, Geld in die Hand zu nehmen und früh in Prävention zu investieren, etwa in der Schule.

Unterricht angekündigt

Das hat auch die Regierung vor: In Zukunft soll es im Ethikunterricht bundesweit Einheiten zum Thema gewaltfreie Beziehungen geben. Eine Maßnahme, die Alexander Haydn von der Männerberatung Wien begrüßt. Sein Verein führt bereits in Schulen Workshops zur Gewaltprävention durch – bislang jedoch nur auf Anfrage der Direktionen, die das Budget dafür selbst bereitstellen müssen. Der Psychotherapeut hält auch die angekündigte Bannmeile von 50 Metern um eine gefährdete Person "grundsätzlich für eine gute Idee", dafür sei aber eine klare juristische Regelung nötig.

Zusätzlich kündigte die Regierung Investitionen in Täterarbeit an. Edtstadler sagte dazu zwar, dass "Datenschutz nicht zum Täterschutz werden darf", blieb aber bezüglich der Umsetzung vage. Vereine wie die Männerberatung fordern schon seit Jahren, dass die Täter direkt nach einer Wegweisung dort andocken – dies war aber aus Datenschutzgründen bisher nicht umsetzbar. Haydn fordert grundsätzlich, dass die Säule Täterarbeit etabliert und mit einem vernünftigen Budget ausgestattet wird. Für die Maßnahmen im Opfer- und Gewaltschutz kündigte Frauen- und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) 500.000 Euro an – bisher ist allerdings noch nicht klar, wohin die Gelder konkret fließen werden.

Einschnitte bei feministischen Vereinen

Die Aufstockung aus dem Frauenministerium folgt auf ein Jahr finanzieller Einschnitte bei zahlreichen feministischen Vereinen. Als Kürzung wollte man es im Frauenministerium allerdings nicht sehen, hieß es von dort im letzten Jahr mehrmals. Es stünde lediglich die einmalige Überschreitungsermächtigung von 500.000 Euro nicht mehr zur Verfügung, die Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) als Frauenministerin für das Jahr 2017 erwirken konnte. Betroffen waren im Jahr 2018 allerdings auch Projekte, die seit den 1990er-Jahren feministische Bildungsarbeit und sowohl direkt als auch indirekt im Gewaltschutz tätig waren und dafür Unterstützung aus dem Frauenministerium erhielten.

Vier Frauen wurden in Österreich dieses Jahr bereits von Männern aus ihrem nächsten Umfeld ermordet.
Illustration: STANDARD / Foto: Beigelbeck

Dem Verein One Billion Rising, der künstlerische Kampagnen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen organisierte, wurde 2018 etwa die Förderung von 5.500 Euro gestrichen. Der Verein Frauenhetz, der Vorträge und Diskussionsveranstaltungen zu feministischen Themen – und somit auch häufig zu Gewalt gegen Frauen – veranstaltete, wurde seit 1996 unterstützt und verlor 2018 die Basisförderung über 12.000 Euro. Ebenso das Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen, das Weiterbildungen anbot.

Täter-Opfer-Umkehr

Die meisten Gewaltschutzexpertinnen sind sich einig, dass Gewaltschutz über Frauenhausplätze und Verschärfungen im Strafrecht hinausgeht. Birgitt Haller, wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Konfliktforschung, sagt, dass Scham noch heute eine wesentliche Hürde für Betroffene ist, sich Hilfe zu holen. Dass sich Frauen noch immer, selbst bei massiver physischer oder sexueller Gewalt, die Schuldfrage stellen ("Was hab ich gemacht?"), sei den herrschenden gesellschaftlichen Vorstellungen geschuldet. "Opfer müssen wissen, dass sie nichts falsch gemacht haben", sagt Haller. Auch vor diesem Hintergrund wurden die Kürzungen bei den Vereinen im vergangenen Jahr kritisiert: Es brauche feministische Arbeit auf vielen Ebenen, um diesen Vorstellungen (etwa die gängige Täter-Opfer-Umkehr oder die vermeintlich passive weibliche gegenüber einer aktiven männlichen Sexualität) etwas entgegenzusetzen.

Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings und eine dieser Kritikerinnen, sprach 2018 davon, dass Gewaltschutz benutzt werde, um bei feministischen Projekten zu sparen. Auch die aktuellen Maßnahmen der Regierung sieht sie kritisch. "Ich fürchte, dass mit der Ankündigung, Mittel für den Gewaltschutz zu erhöhen, Frauenvereine wieder gegeneinander ausgespielt werden." Auch die Schaffung einer Notfallnummer ist für sie nicht nachvollziehbar: "Die Frauenhelpline gibt es seit vielen Jahren, und sie ist rund um die Uhr besetzt – warum nun eine solche im Infrastrukturministerium angesiedelt werden soll, ist nicht nachvollziehbar." Zudem sei sie empört darüber, "dass es offensichtlich das vorrangige Problem der Regierung ist, welche Herkunft die Täter haben, jedoch nicht die Bekämpfung der Ursachen".

Tatsächlich konzentrierten sich die Regierungsmitglieder am Donnerstag vor allem auf die Herkunft der Täter. Edtstadler zählte die in der jüngsten Vergangenheit von Ausländern begangenen Taten auf, sparte jene österreichischer Täter aber aus. In die gleiche Kerbe schlug Außenministerin Karin Kneissl (von der FPÖ nominiert): "Wir hatten in Österreich bis vor wenigen Jahren eine ganz andere Situation. Wir erleben derzeit eine Gewaltwelle gegen Frauen, die ihresgleichen sucht." Es sei eine Tatsache, "dass wir ohne die Migrationskrise von 2015 nicht diese Form an Gewalt an Frauen hätten".

Herkunft nicht entscheidend

Wie die STANDARD-Datenanalyse zeigt, ist dieser Schluss zu kurz gegriffen: Obwohl seit 25 Jahren die Zahl der nichtösterreichischen Täter konstant ansteigt, sinkt der Ausländeranteil bei Morddelikten seit 2013 wieder. Konstant blieb in den letzten 40 Jahren aber das Geschlechterverhältnis: 90 Prozent der wegen versuchten und vollendeten Mordes Verurteilten waren Männer.

Männerberater Haydn hält von der Analyse häuslicher Gewalt über den Faktor Herkunft nichts. "Wir müssen in Österreich einen Weg finden, häusliche Gewalt insgesamt zu bekämpfen und zu stoppen", fordert Haydn. "Eine Bevölkerungsgruppe pauschal zu diskriminieren halte ich für den vollkommen falschen Ansatz." Vielmehr würden patriarchale Strukturen eine Rolle spielen, Haydn bezeichnet sie als "die größte Gefahr bei häuslicher Gewalt". "Patriarchales Denken heißt Besitzdenken, heißt Macht heißt Kontrolle." Manche Männer würden zu Gewalt neigen, wenn sie "Macht und Kontrolle verlieren, nicht mehr weiterwissen, auch sprachlos sind". Aus männlichem Stolz und Anspruchsdenken heraus würden sie, wenn ihnen etwas weggenommen wird, "es lieber zerstören, bevor sie es jemand anderem überlassen".

Experten betonen immer wieder, dass sich Gewalt durch alle Milieus und soziale Schichten ziehe und dass sie fast immer innerhalb des eigenen sozialen Umfelds vorkomme. Es handle sich um "ein globales Problem", heißt es etwa im Tätigkeitsbericht von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, "das in allen Ländern, Kulturen und Religionen existiert". Doch in Österreich erhalten nicht alle Hilfesuchenden die gleichen Angebote.

Frauenhäuser sind Ländersache

Vor allem für von Gewalt betroffene geflüchtete Frauen ist es oft schwierig. Ob Frauenhäuser Asylwerberinnen aufnehmen, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland, da die Finanzierungsstruktur verschieden ist. In Oberösterreich können sie nur sehr kurz und in Abstimmung mit dem Land aufgenommen werden, erklärt Ursula Walli vom Frauenhaus Innviertel. Die Frauenhäuser unterliegen dem Sozialhilfegesetz, Asylwerberinnen würden aus der Grundversorgung fallen, wenn sie sich in einem Frauenhaus aufhalten. Daher müssen für sie rasch andere Unterkünfte gefunden werden, die ihnen auch erhöhten Schutz bieten – wenngleich nicht in dem Ausmaß wie ein Frauenhaus.

Das Frauenhaus Tirol nimmt Betroffene unabhängig vom Aufenthaltsstatus auf – auch wenn es für sie keine Finanzierung gibt. 2018 kamen dort 62 Frauen unter, obwohl nur Platz für acht ist. "Es ist mir wichtig, wirklich jede Frau aufnehmen zu können", sagt Gabi Platter vom Tiroler Frauenhaus, dessen Budget sich über eine "Mischfinanzierung" zusammensetzt: Frauen müssen einen Teil für die Unterbringung im Frauenhaus übernehmen. Der Anteil von Frauen, die weder selbst finanzielle Mittel haben noch Anspruch auf Mindestsicherung, wird über Spenden finanziert. Eine Vereinheitlichung der Finanzierungsstrukturen der Frauenhäuser in Österreich wäre wünschenswert, sagt Platter, allerdings nur, "wenn sie keine Verschlechterung für den Schutz von Frauen ist – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus".

Doch auch auf der Täterseite gibt es Aufholbedarf in Sachen Angebote: Speziell für geflüchtete Männer rief der Dachverband Männerarbeit Österreich 2017 die Dialogreihe "Men Talk" ins Leben. Die in den Workshops behandelten Themen waren etwa Gesetze, Gleichstellung und Sexualität. Vergangenes Jahr wurde die Förderung dafür allerdings gestrichen. (Beate Hausbichler, Noura Maan, Lara Hagen, 19.1.2019)