Proeuropäischer als Karas und Edtstadler kann man in der Volkspartei kaum sein.

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Das wird jetzt ein starker und interessanter Europawahlkampf, zumindest in Österreich. Mit der Erstellung der ÖVP-Wahlliste bzw. der Bestätigung des Spitzenduos durch Bundeslanzler Sebastian Kurz am Samstag haben nun alle relevanten Parteien Ihre Zugpferde für diesen Wahlgang am 26. Mai fixiert. Mit Othmar Karas und Karoline Edtstadler auf den ersten Listenplätzen hat sich der Parteichef, dem laut Statuten das letzte Recht auf Nominierung zukommt, für die EU-freundlichste Variante entschieden, die in seiner zur türkisen Bewegung gewandelten Partei möglich war.

Proeuropäischer als Karas und Edtstadler kann man in der Volkspartei kaum sein. Der Niederösterreicher hat seit 1999 ein Mandat im EU-Parlament in Straßburg. Er gehörte bereits Mitte der 1980er-Jahre als Obmann der Jungen Volkspartei im Nationalrat zu den glühenden Befürwortern und Antragstellern eines EU-Beitritts Österreichs. Über alle Krisen, Wendungen und Windungen hinweg hielt er die EU-Fahne hoch, scheute sich nicht, sich dafür auch mit den eigenen Parteifreunden anzulegen.

Inzwischen ist Karas 63 Jahre alt. Es war daher seit Monaten intern kein Geheimnis, dass der ÖVP-Chef eine junge Politikerin an seiner Seite sehen will, die ein Angebot an die jungen Wähler darstellt. Junge und Frauen sind besonders EU-affin. Das ist wichtig, auch weil es bei Europawahlen wegen der traditionell extrem niedrigen Wahlbeteiligung für die Parteien erste Priorität sein muss, dass die Leute überhaupt wählen gehen.

Kombiniert mit dem Modell des strikten Vorzugstimmenprinzips – nur die auf der Liste kriegen ein Mandat, die bei den Wahlen ganz vorne liegen – hat die ÖVP also einen Stimmenmaximierungswahlkampf eingeleitet. Und vor allem hat Kanzler Kurz, an dessen EU-Überzeugungen wegen seines Regierungspakts mit der EU-skeptischen FPÖ bis heute von seinen politischen Gegnern gezweifelt wird, eine deutliche inhaltliche Vorgabe gegeben: Es wird für die SPÖ, Grüne oder Neos schwierig sein, das Duo Karas/Edtstadler als unsichere Kantonisten in Sachen Europa darzustellen.

Das ist zunächst die ÖVP-interne Aspekt nach der Kandidatennominierung: Die Türkisen wollen den rechten und linken EU-Skeptikern den Kampf ansagen. Das ist nun geklärt. Sie befinden sich dabei voll auf Linie mit dem EU-weiten Spitzenkandidaten Manfred Weber, der nächster Kommissionspräsident nach Jean-Claude Juncker werden will.

Die zweite spannende Seite ist, dass im österreichischen Wahlkampf personell für Spannung und Klarheit gesorgt ist. Mit Harald Vilimsky steht für die FPÖ ein ausgewiesener EU-Skeptiker an der Spitze der Wahlliste. Der EU-Abgeordnete und Generalsekretär bastelt gerade mit Italiens Legachef Matteo Salvini oder Frankreichs Rassemblement National-Chefin Marine Le Pen an einer Plattform von Europas Rechtspopulisten und extrem rechten Parteien, die die EU nationalistisch zurückstutzen wollen auf eine reine Wirtschaftsgemeinschaft.

Allein das schon verspricht harte Konfrontationen, auch in der Regierungskoalition. Denn Karas hat sich noch nie ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es darum ging, den Provokationen aus dem rechten Lager zu kontern.

Dazu kommen dann aber auch durchaus kantige weitere Spitzenkandidaten: Für die Grünen tritt Werner Kogler an, ein Urgestein der Ökopartei, wortgewaltig, ein grüner Proeuropäer der ersten Stunde. Er wird mit Karas und Vilimsky kräftig mitmischen.

Mitten hinein in diese Equipe von Männern plusminus sechzig stechen die Liberalen Neos mit Claudia Gamon, 30. Sie ist eine ebenso wortmächtige Proeuropäerin, die mit nationalistischen Regungen wenig anfangen kann.

Bleibt für die SPÖ mit Andreas Schieder ein erfahrener Politiker, der ebenso wie Karas und Kogler seit Jahrzehnten in der Europapolitik zu Hause ist, international gut vernetzt. Vom persönlichen Stil her, rhetorisch dürfte er sich in diesem Wahlkampf am Schwersten zum.

Da die EU-Wahl im Mai der erste bundesweite Wahlgang nach der Bildung der türkis-blauen Regierung im Dezember 2017 sein wird, ist auch für genug innenpolitischen Sprengstoff gesorgt. Nicht auszuschließen, dass die Mehrheitsverhältnisse sich Ende Mai ganz anders darstellen werden als bei den Nationalratswahlen.

Letzter Aspekt zur ÖVP-Liste: Sollte Manfred Weber erwartungsgemäß nächster Kommissionspräsident werden, haben Edtstadler und Karas – durch Vorzugsstimmen extra gestärkt – beste Chancen auf ein einflussreiches Kommissarsamt in Brüssel. Kanzler Kurz war der erste EU-Regierungschef, der sich in der EVP bereits im Frühjahr für Weber ausgesprochen hatte. Er hat beim CSU-Politiker, mit dem er gut befreundet ist, einen Stein im Brett. So könnte Edtstadler zum Beispiel Innen/Justizkommissarin werden. Die gelernte Richterin war Mitarbeiterin am am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, hat bei Österreichs EU-Vorsitz im EU-Parlament den Rat vertreten, ist also gut qualifiziert. Karas wäre als Allrounder mit zwanzig Jahren EU-Erfahrung in Straßburg für mehrere Posten in der Kommission geeignet, die im November antritt. Auch möglich: Elisabeth Köstinger als Agrarkommissarin. (Thomas Mayer, 19.1.2019)