Teilnehmer und Partner des Wirtschaftsforums in Davos repräsentieren Milliarden. Für Bewachung und Sicherheit der Weltelite in den Schweizer Bergen müssen die eidgenössischen Steuerzahler aufkommen.

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Klaus Schwab verzieht keine Miene. Kein Gefühl lässt sich an Zügen des Achtzigjährigen ablesen. Schwab doziert über seine große Erfolgsstory, das Weltwirtschaftsforum. Der in Ravensburg geborene Ökonomie-Professor lässt im nüchternen Tonfall wissen, dass auch das 49. Jahrestreffen vom 22. bis 25. Jänner wieder einmal als Kongress der Superlative glänzen wird: Mehr als 3000 Topentscheider aus Wirtschaft und Politik folgen dem Ruf des Forum-Gründers ins eiskalte Davos, darunter 60 Staats- und Regierungschefs wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Nirgendwo sonst kommen so viele Führungspersönlichkeiten und Bosse auf so engem Raum zusammen wie in der Abgeschiedenheit der Schweizer Alpen. Davos, das ist die Gala der selbsternannten globalen Elite. Und die illustre Schar soll in der schwer bewachten Luxusdestination, so gibt es Schwab vor, darüber beraten, wie die "beste aller Zeiten zu schaffen ist".

Globale Risiken

Nötig ist das schon. Denn auch über den Reichen und Mächtigen ziehen sich dunkle Wolken zusammen. "Globale Risiken verschärfen sich, aber es mangelt am kollektiven Willen, sie zu lösen", warnt das Weltwirtschaftsforum (WEF) in seinem jüngsten Report. Auch UN-Generalsekretär António Guterres ist voller Sorge: "Die Welt ist Unordnung." Neben den vielen bewaffneten Konflikten und dem Klimawandel listet Guterres, der auch nach Davos reist, die mannigfaltigen wirtschaftlichen und sozialen Gefahren auf: Handelskonflikte, Schuldenkrisen, Kluft zwischen Arm und Reich. "Die Menschen stellen eine Welt infrage, in der eine Handvoll Leute genauso viel besitzt wie die Hälfte aller Erdenbewohner", schreibt Guterres den Davosianern ins Stammbuch.

Zwar wird der Kongress der Globalisierungsgewinner alle diese Probleme auf rund 350 Einzelevents pflichtschuldig diskutieren. Das offizielle Motto lautet "Globalisierung 4.0: Gestaltung einer globalen Architektur im Zeitalter der vierten industriellen Revolution". Und die Teilnehmer werden auch Ja sagen zu Schwabs "Davos 2019 Manifest". In dem Papier fordert der Davos-Impresario einen "neuen Rahmen für globale Kooperation". Doch die meisten der Angereisten haben ihren eigenen Vorteil im Sinn. So wird sich der rüpelhafte Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, erstmals auf der großen internationalen Bühne präsentieren – und den veritablen Staatsmann mimen.

Chance auf Profilierung

Auch andere Politgrößen, von Premierminister Shinzo Abe aus Japan über Israels Regierungschefs Benjamin Netanjahu bis zum Präsidenten Südafrikas Cyril Ramaphosa, nutzen Davos zur Profilierung. Dass in diesem Jahr US-Präsident Donald Trump und seine Delegation wegen des Budgetstreits nicht in Davos erscheinen, passt den meisten anwesenden Staatenlenkern gut ins Kalkül. Nun ist nicht zu befürchten, dass Trump allen anderen die Schau stiehlt – so wie es der Selbstdarsteller 2018 tat.

Allerdings dürfte der Rückzieher des traditionell hochkarätig besetzten US-Teams den statusfixierten WEF-Chef Schwab schwer treffen, zumal im Gefolge des Brexit-Chaos auch die britische Premierministerin Theresa May abgesagt hat und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sein Land wegen der "Gelbwesten"-Proteste nicht verlässt. Die Veranstalter geben sich von den Absagen ungerührt, verweisen auf die mehr als 800 angemeldeten Teilnehmer aus den USA, darunter die Chefs führender Unternehmen. Mit rund 3000 Teilnehmern aus der Politik- und Wirtschaftselite werde das Treffen wieder "eine Plattform für wichtige Diskussionen".

Inhalte statt Reden

Ein WEF-Kenner äußerte die Hoffnung, dass nach der Absage von US-Präsident Donald Trump nun den Inhalten der Tagung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werde. "Einzelne Reden von Politikern sind nicht das Hauptaugenmerk in Davos. Vielmehr steht der Dialog zwischen Wirtschaft, Finanzwelt und Politik oder zwischen einzelnen Staaten im Mittelpunkt", zitierte die Nachrichtenagentur dpa der Verwaltungsratschef von Boston Consulting Group (BCG), Hans-Paul Bürkner. "Hier werden die Weichen gestellt, wie die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit adressiert werden sollen."

Unberührt vom Trubel und den hehren Worten werden die gut 1700 Wirtschaftskapitäne Kontakte knüpfen – und Geschäfte einfädeln. Nichts anderes erwarten ihre Arbeitgeber. Die Liste der Konzerne, die als "Partner" das WEF-Jahrestreffens unterstützen, liest sich wie ein Alphabet des Big Business: Allianz, BP, Goldman Sachs, Facebook, Microsoft bis Nestlé, Unilever und Volkswagen.

Künstler als Aufputz

Garniert wird Davos mit Künstlern wie dem Rocksänger Bono oder dem Wunderkind Clara Shen, dessen Geigenspiel die Musikwelt verzückt. Die Nobelherbergen, das Seehof und das Belvedere bieten das Ambiente für das Spektakel – und in die Kassen der Hoteliers fließen in wenigen Tagen Millionen.

Proteste programmiert

Doch viele Schweizer stören sich an der eitlen Gesellschaft, die sich jedes Jahr in Davos breitmacht. Helvetiens Jungsozialisten werden in dem überfüllten Städtchen am Donnerstag zum Protest aufmarschieren. Die Demo richtet sich gegen das Champagnertrinken "der Weltelite auf Kosten der Schweizer Steuerzahlenden".

Tatsächlich hält sich das WEF mit seinen milliardenschweren Partnern vornehm zurück, wenn es um die immensen Ausgaben für die Sicherheit geht. Tausende Polizisten und Soldaten schützen die Bergfestung, von oben überwacht die Luftwaffe das Getümmel. Laut Schweizer Medien kommt das WEF nur für ein Viertel der Sicherheitskosten von mehreren Millionen Euro auf. Der Rest bleibt beim Staat hängen. (Jan Dirk Herbermann aus Genf, 21.1.2019)