Wifo-Ökonom Michael Peneder geht davon aus, dass die kurzfristigen Auswirkungen der Digitalisierung überschätzt, die langfristigen jedoch unterschätzt werden.

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Wien – Wie wirkt sich die digitale Revolution auf die Arbeitsplätze der Menschen aus? Diese Frage erzeugt ein ambivalentes Stimmungsbild in der Bevölkerung. Die einen blicken euphorisch in die Zukunft, für die anderen herrscht Endzeitstimmung. Diverse Studienergebnisse liefern Argumente für beide Lager.

Eine Untersuchung des World Economic Forum (WEF) kommt beispielsweise zu dem Schluss: In den kommenden vier Jahren sollen 133 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. Zugleich werden 75 Millionen Jobs von Maschinen ersetzt. Laut einer PwC-Studie sind in Österreich bis Mitte der 2030er-Jahre 34 Prozent der Arbeitsplätze von Automatisierungsprozessen bedroht.

Verständlicherweise beschäftigt dieses Thema auch das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Auf einer neuen Plattform widmen sich Ökonomen aus unterschiedlichen Blickwinkeln den Auswirkungen der Digitalisierung – zum Beispiel den Veränderungen am Arbeitsmarkt.

Neue Zusammensetzung

Beim Thema Jobverlust gibt man sich zuversichtlich. "Wir glauben nicht, dass die technologische Entwicklung mittelfristig zu großer Arbeitslosigkeit führen wird", sagt Wifo-Ökonom Michael Peneder zum STANDARD. Was jedoch einem starken Wandel unterliegen werde, sei die Zusammensetzung in den Unternehmen. Stellen aus der Produktion würden sich vermehrt in die Qualitätskontrolle oder auch das Marketing verlagern.

Digitalisierung und Automatisierung finden schon seit Jahrzehnten statt, aber die insgesamt von Menschen geleistete Arbeit habe nicht abgenommen, gab er weiters zu bedenken. Automatisiert würden dann, wenn dadurch die Kosten gesenkt oder die Qualität verbessert werden könne. Dadurch würden die Preise sinken, was für die Konsumenten einen realen Einkommensgewinn darstelle. Dadurch würden wieder neue Leistungen nachgefragt. "Das wird in der Diskussion meist nicht bedacht", sagt Peneder.

Politischer Handlungsbedarf

Versprechen kann Peneder nichts, er hält aber große Stücke auf das Amarasche Gesetz. Dieses besagt: Die Auswirkungen der technologischen Entwicklung werden kurzfristig überschätzt und langfristig unterschätzt. Von der Politik wünscht er sich deswegen ein Konzept und konkrete Maßnahmen, sollten die "schlimmen Prognosen" doch eines Tages eintreten.

"Politisches Zusammenspiel und proaktive Gestaltung sind notwendig, um den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich zu bewältigen", meint auch Peneders Kollege Michael Böheim, der sich mit den Themen Wettbewerb und Regulierung beschäftigt. Er fordert einen systemischen Ansatz für "das große Ganze", da Einzelmaßnahmen nicht ausreichen.

Bildung, Bildung, Bildung

Wer nicht zu den Verlierern der digitalen Revolution gehören will, braucht gute Bildung. Dieses Credo hat in der jüngeren Vergangenheit bereits ein bisschen den Charakter einer Binsenweisheit angenommen. Nichtsdestotrotz weist Arbeitsmarkt- und Bildungsexpertin Julia Bock-Schappelwein auf die enorme Bedeutung hin: "Es geht in der Digitalisierung darum, dass ich Information filtern kann. Grundskills in Lesen, Schreiben und Mathematik sind essenziell."

Zum Beispiel in der Qualitätskontrolle: "Man muss imstande sein zu berichten, was während der Arbeitszeit passiert ist." Über digitale Kompetenzen brauche man erst zu diskutieren, wenn die Basiskompetenzen vorhanden seien. (and, 21.1.2019)