So sieht Widerstand aus: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, flankiert von den Stadträten Peter Hanke (Finanzen), Jürgen Czernohorszky (Bildung und Integration), Veronica Kaup-Hasler (Kultur), Kathrin Gaal (Wohnen), Ulli Sima (Umwelt) und Peter Hacker (Gesundheit und Soziales) (von links).

Foto: Matthias Cremer

Wien – Durch den Wappensaal des Wiener Rathauses waberte am Montag eine dichte Vorwahlkampf-Atmosphäre: Die Stadtregierungsmitglieder der Wiener SPÖ mit Bürgermeister Michael Ludwig an der Spitze traten geschlossen den Vorhaltungen der türkis-blauen Bundesregierung entgegen. Inhaltlich ging das siebenköpfige Team dabei weniger auf die konkreten Kritikpunkte des Bundes in puncto Mindestsicherung, Arbeitslosigkeit oder Verschuldung ein, sondern legte eine eigene rote Leistungsbilanz vor.

Die "ZiB" um 13 Uhr über den Auftritt der roten Wiener Regierungsmannschaft.
ORF

Als Grund für den Auftritt vor der Presse führte Ludwig das "Wien-Bashing" des Bundes ins Treffen, das es "in dieser Intensität noch nie gegeben" habe. Täglich, "fast stündlich", würde es "Angriffe auf Wien" setzen, sagte Ludwig. "Als Wiener Bürgermeister kann ich das nicht auf unserer Stadt und auf den Menschen in unserer Stadt sitzen lassen."

"Lebenswerteste Stadt der Welt"

Mehrmals betonte Ludwig, dass Wien die lebenswerteste Stadt der Welt sei. Er appellierte an das Mia-san-mia-Gefühl in der einzigen Metropole Österreichs: "Ich will mir die sehr positive Entwicklung nicht schlechtreden lassen."

Der Bund würde hingegen mit "zum Teil unkorrekten Zahlen" operieren und Stimmung machen. So sei Wien bei der Pro-Kopf-Verschuldung im Bundesländervergleich im Mittelfeld zu finden. Unerwähnt ließ Ludwig freilich den Rekordschuldenstand Wiens, der Ende 2019 rund sieben Milliarden Euro ausmacht. Für das aktuelle Jahr sind 188 Millionen Euro an Schulden eingeplant.

265.000 Einpendler

Ludwig führte auch die Rekordbeschäftigung in Wien ins Treffen: 848.530 Personen hatten im Vorjahr in Wien eine Arbeit. Der Stadtchef verwies auch darauf, dass darunter 265.000 Pendler zu finden sind, die zur Arbeit in die Stadt kommen. Diese Tatsache bewertete Ludwig durchaus positiv. "Aber man sollte uns nicht zwingend dafür kritisieren."

Mit diesem Argument versuchte Ludwig, auch die Kritik des Bundes zu entkräften, wonach die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in anderen Bundesländern viel besser als in Wien sei. Im österreichweiten Durchschnitt betrug die Arbeitslosenquote im Jahr 2018 nach Wifo-Berechnungen 7,7 Prozent. In Wien waren es im Vorjahr 12,3 Prozent.

Ludwig erinnerte auch daran, dass Wien der größte Nettozahler in Österreich sei und mit rund 90 Milliarden Euro das größte Bruttoregionalprodukt vorzuweisen habe. Die Attraktivität Wiens würden auch die steigenden Nächtigungszahlen zeigen. Ludwig forderte keine Besserbehandlung, sondern ein Ende des Eindreschens auf Wien durch den Bund: "Wir wollen behandelt werden wie alle anderen Bundesländer."

Zwist um die Mindestsicherung

Zuletzt erreichte der Zwist zwischen Wien und dem Bund wegen der geplanten Reform der Mindestsicherung einen ersten Höhepunkt. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte im Zuge der Debatte auch gesagt, dass in vielen Familien in Wien "immer weniger Menschen in der Früh aufstehen, um zu arbeiten und in immer mehr Familien nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, um zur Schule zu gehen."

Sozialstadtrat Peter Hacker meinte, dass das Gesetz noch nicht fertig sei. Von 140 Stellungnahmen zum Gesetz habe es in 137 Fällen Hinweise auf Verbesserungen gegeben. Er warte mit den anderen zuständigen Landesräten "mit großer Ungeduld" auf einen Termin bei Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Dieser soll laut Hacker im Jänner, spätestens im Februar über die Bühne gehen. Zuvor hatte Hacker erklärt, den vorliegenden Entwurf in Wien so nicht umzusetzen.

Neben dem Verteidigen Wiens ging die Phalanx der roten Stadträtinnen und Stadträte auch in die Offensive. So bezeichnete Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky die Kürzungen des Bundes im Bildungsbereich als "unerhört". Hacker bereitete die von der Regierung angedachte Änderung der Arbeitszeit in den Spitälern "große Sorgen". Die Skepsis von Ärztekammer und Gewerkschaft könne er "sehr gut nachvollziehen".

Keine vorgezogene Wien-Wahl

Trotz der Veranstaltung, die – ohne grünen Regierungspartner – wie ein Vorwahlkampf-Event anmutete, sprach sich Ludwig erneut gegen vorgezogene Wien-Wahlen vor 2020 aus. Einige Punkte des rot-grünen Koalitionspakts gelte es noch abzuarbeiten. "Parteipolitisch motivierte Angriffe verleiten mich nicht dazu, abzubrechen", sagte Ludwig.

Für Johann Gudenus, den geschäftsführenden Chef der FPÖ Wien, lenke Ludwig mit billiger Polemik "von den wahren Problemen in der Bundeshauptstadt ab". Der nicht amtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch kritisierte den "Pseudo-Aktionismus" der SPÖ, Neos-Chef Christoph Wiederkehr sah einen "selbstverliebten Auftritt der SPÖ". (David Krutzler, 21.1.2019)