Ob Lehrer, Therapeuten oder Unternehmensberater: Nicht selten finden Menschen ihren Partner am Arbeitsplatz. Das belegt auch eine Studie des deutschen Statistikportals Statista: Nach Partys und im Freundeskreis beginnen dort die meisten Romanzen. Das ist nicht wahnsinnig überraschend: Wer sich mit seinem Beruf identifiziert und sich darin verwirklicht, findet es anziehend, wenn jemand den gleichen Job hat.

Darüber hinaus hat sich die Arbeitswelt so verändert, dass die Grenzen zwischen Privatleben und Job immer mehr verschwimmen: Mitarbeiter lesen Arbeitsmails im Bett, es gibt After-Work-Partys, und alle sind per Du. Und je länger wir arbeiten, desto unwahrscheinlicher wird es, einen Partner woanders zu finden.

Man arbeitet etliche Stunden täglich gemeinsam an Projekten, teilt Freude über Erfolge und Frust über den Chef oder die Kollegen, kommt sich näher. Der finale Funke springt dann meist außerhalb der regulären Arbeitszeit über, wie eine aktuelle Umfrage unter 500 österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ergab: 20 Prozent der Befragten verliebten sich auf Firmenevents wie der Weihnachtsfeier. Für rund 16 Prozent entwickelte sich aus einem Büro-Techtelmechtel sogar eine längere Beziehung – und jedes zehnte Kollegenpaar landete vor dem Traualtar.

Prominente Paare

Prominente Beispiele für Arbeitspaare lassen sich etliche finden: etwa die Wissenschafter Marie und Pierre Curie oder Michelle und Barack Obama, die nun gemeinsam eine Filmproduktion gründeten, Ex-Microsoft-Boss Bill Gates, der mit seiner Gattin Melinda nun eine Stiftung führt. Manche Paare trennen sich, beenden aber nicht ihre Arbeitsbeziehung: die Schlagersänger Helene Fischer und Florian Silbereisen. Andere gehen schließlich beruflich wieder getrennte Wege, um ihre Liebe nicht zu gefährden.

Was sind die Herausforderungen, wenn man mit seinem Partner den Arbeitsplatz teilt? Was sind Strategien, damit die Zusammenarbeit funktioniert und Streit nicht vom Schlafzimmer ins Büro verlagert wird? Was kann Beziehungen am Arbeitsplatz gefährden?

Dazu hat DER STANDARD vier Arbeitspaare befragt. Teil eins: Susanne und Jürgen Liechtenecker. Sie haben sich bei der Arbeit kennengelernt, gemeinsam eine Digitalagentur gegründet und gehen nun beruflich wieder getrennte Wege.

Susanne Liechtenecker (35) ist weiterhin Geschäftsführerin der gemeinsam gegründeten Digitalagentur, Jürgen Liechtenecker (46) hat sich als Meditationstrainer selbstständig gemacht.
Foto: Heribert Corn

Er: Gefunkt hat es zwischen Susanne und mir bei einem Business-Run.

Sie: Aber bis dahin war ein langer Weg. Wir haben uns vor fast 15 Jahren am Arbeitsplatz kennengelernt. Damals haben wir bei einem Versicherer gearbeitet, ich im Marketing, du in der IT. Das erste Mal haben wir uns auf einer Weihnachtsfeier unterhalten, es folgte Funkstille. Etwa ein Jahr später war der besagte Business-Run. Natürlich haben wir nicht gleich herumerzählt, dass wir uns treffen – wir wussten ja selbst nicht, wie es sich entwickelt. Als dann einer der Vorstände zu uns gekommen ist und gesagt hat, dass wir eh super zusammenpassen, wussten wir, dass wir nichts geheim halten müssen.

Er: Damals haben wir auch festgestellt, dass wir gut zusammenarbeiten können. Wir haben uns als Team zusammengeschlossen und Erfolge gefeiert.

Sie: Ich bin einmal kurz abtrünnig geworden, in eine andere Firma gewechselt. Wir sind nicht mehr zusammen in die Firma gefahren, hatten unterschiedliche Arbeitskollegen und unterschiedliche Dinge während des Tages erlebt. Das war schon eigenartig. Also haben wir den Schritt gewagt: Zuerst hast du gekündigt, dann ich, und dann haben wir uns selbstständig gemacht.

Er: Das war ein richtiges Abenteuer, ich bin im Schlafzimmer am Schreibtisch gesessen und du an so einem kleinen Computertisch. Das war anfangs unsere Digitalagentur.

Sie: Wir haben die Firma gemeinsam aufgebaut, waren erfolgreich. Dann kam unser erster Sohn – und die perfekte Vereinbarkeit von Job und Privatleben, die wir als Selbstständige hatten, war dahin. Da hatte Jürgen dann das Gefühl, dass er alles allein machen muss.

Er: Ja, weil davor haben wir uns die Aufgaben nach unseren Talenten und Vorlieben aufgeteilt: Ich habe mich auf die Mitarbeiter fokussiert, Personalgespräche geführt und interne Visionen ausgearbeitet, du hast dich um den Verkauf, das Netzwerk und die Kundengespräche gekümmert. Es war anstrengend, als Susanne weggefallen ist, die Arbeit hat mir keinen Spaß mehr gemacht.

Sie: Wir haben uns dann die Frage gestellt, ob wir die Firma überhaupt noch so weiterführen wollen. Jürgen ist ausgestiegen, und ich habe seine Position als Geschäftsführerin der Agentur übernommen. Das war im Herbst 2018.

Er: Ich habe davor bereits eine Ausbildung zum Meditationstrainer gemacht und dann ein eigenes Studio aufgemacht. Es befindet sich zwei Stöcke über der Agentur. Ich finde es gut, wieder mehr Raum zu haben. Und es geht ja auch immer wieder auf und ab in der Zusammenarbeit. Langsam spüren wir wieder, dass wir erneut zusammenarbeiten wollen.

Susanne und Jürgen Liechtenecker in seinem Meditationsstudio. Susanne führt die Digitalagentur zwei Stockwerke unterhalb seit Herbst vergangenen Jahres allein.
Foto: Heribert Corn

Sie: Ja, derzeit macht jeder sein Ding, aber wir wollen heuer auch wieder gemeinsame Projekte entwickeln. Das führt dazu, dass wir freier entscheiden. Das ist einerseits toll, andererseits hat man nicht die Absicherung. Deshalb tauschen wir uns ständig aus, sind als Coach in das Business des jeweils anderen involviert. Der Vorteil unserer Beziehung: Wir können sehr viel direkter miteinander umgehen, besser Kritik üben. Natürlich setzt das auch voraus, dass man eine gute, stabile Beziehung hat. Wenn man sich liebt, kann man sich eigentlich fast alles sagen.

Er: Andere streiten sich, wenn sie zu viel Zeit miteinander verbringen – bei uns ist es umgekehrt.

Sie: Wenn wir zusammenarbeiten, reden wir uns auch schneller wieder aus.

Er: Man kann es schon als Nachteil sehen, dass die Grenzen zwischen Privat und Arbeit aufgehoben werden. Beim gemeinsamen Unternehmen gab es natürlich keine Trennung zwischen Partnerschaft, Familie und Unternehmen. Alles fließt ineinander, wir sprechen beim Mittagstisch genauso über das Unternehmen wie über unsere Söhne. Ich finde es gut, dass ich meine Rollen als Partner, Vater oder Arbeitskollege nicht trennen muss.

Sie: Aber wir hatten schon Phasen, in denen wir das Gefühl hatten, nur mehr Geschäftsführer zu sein. Dass das all unsere Gespräche bestimmt hat.

Er: Ich kann mich noch an eine Szene im Supermarkt erinnern, wo wir eine Stunde vor einem Regal gestanden sind und nur über ein Problem in der Firma gesprochen haben. Man bekommt oft gar nicht mehr mit, wie sehr einen das vereinnahmt. Umgekehrt gab es aber auch Zeiten, in denen uns die Familie sehr vereinnahmt hat. Als unser zweiter Sohn kam, gab es eine Zeit lang nur das. Mittlerweile findet sich das. (Aufzeichnung: Lisa Breit, Selina Thaler, 2.2.2019)