Nach verlorenem Votum machte Cameron einen schnellen Abgang.

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Etwas ungehalten wird der frisch gebräunte David Cameron erst, als ihn der Reporter fragt: "Bereuen Sie, dass Sie das Referendum ausgerufen haben?" Er wollte eigentlich schon losjoggen, macht dann aber auf dem Absatz kehrt und sagt scharf ins Mikro: "Ich bereue es nicht." Er habe das Referendum seinen Wählern versprochen, schon zwei Jahre vor der Parlamentswahl 2015. Er habe also nur erfüllt, was die Wähler von ihm wollten.

David Cameron, britischer Premier von 2010 bis 2016, gilt heute als Auslöser der Brexit-Misere. Damals, als Premierminister, hatte der Konservative immer ein Problem im Nacken: Die EU-Skeptiker sorgten regelmäßig dafür, dass Cameron den einen oder anderen Plan nicht durchbringen konnte.

Ein für alle Mal wollte er also die Frage vom Tisch haben: Soll Großbritannien in der EU bleiben oder nicht? Das Referendum, so sein Kalkül, würde mit einem klaren Bekenntnis zu Europa enden – wenn es denn überhaupt stattfindet. Denn Cameron habe sogar damit gerechnet, dass die Liberaldemokraten die Abstimmung ohnehin blockieren würden, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montag der BBC.

Reue über das Ergebnis

"Natürlich bereue ich, dass wir das Referendum verloren haben", sagte Cameron nun dem "Guardian" vor seinem Haus in Londons Nobelbezirk Notting Hill. Der Reporter erwischte ihn vergangene Woche just am Morgen jenes Tages, an dem sich Theresa May einem Misstrauensvotum im Unterhaus stellen musste. Tags zuvor war Cameron gerade aus dem Costa-Rica-Urlaub zurückgekehrt. Er bedauere auch, dass nunmehr in Großbritannien Probleme herrschen, die der Ausgang des Referendums ausgelöst habe.

Probleme gibt es in der Tat viele. Großbritannien scheint in einer Sackgasse zu stecken. Der Deal, den May mit der EU geschnürt hat, wurde vergangene Woche vom Parlament abgelehnt. Als Premierministerin wurde ihr aber das parlamentarische Vertrauen ausgesprochen. Eine Mehrzahl der Oppositionspolitiker von Labour ist für ein zweites Referendum – der Parteichef selbst, Jeremy Corbyn, ist aber dagegen. Wie es weitergeht, weiß niemand. Während Großbritannien in eine ungewisse Zukunft blickt, ist die EU geeinter als noch vor zwei Jahren.

58 Prozent negative Meinung über Cameron

Der 52-jährige Cameron, der alles losgetreten hat, gilt in Großbritannien heute als Buhmann. Laut "Washington Post" haben 58 Prozent der Briten eine schlechte Meinung von ihrem Ex-Premier. Knapp vor dem historischen Urnengang am 23. Juni 2016 sagte er noch, er werde das Ergebnis in jedem Fall umsetzen. Knapp nach seiner Niederlage kündigte er aber auch schon seinen Rücktritt an. Im Juli übergab er den Posten an die bisherige Innenministerin Theresa May. Er wolle sie nicht behindern, lautete seine Erklärung.

Seitdem schreibt Cameron laut "Guardian" an seinen Memoiren, für die er 800.000 britische Pfund (900.000 Euro) Vorschuss bekommen haben soll. Drei Viertel der Autobiografie waren laut eigenen Angaben im Dezember fertig. Er habe aber keine Eile, lieber wolle er sie "richtig" schreiben. Comebackgerüchte wies Cameron im November zurück. Vertraute sagten aber der "Sun", er wolle wieder regieren, weil ihm "scheißlangweilig" ("bored shitless") sei. Er engagiert sich auch für den Meeresschutz und die Alzheimerforschung.

In Jogginghosen betonte Cameron, dass er May unterstütze – und auch ihr Ziel, einen Deal mit der EU auszuhandeln. Er wolle aber nicht mit ständigen Kommentaren dazwischenfunken. Sprach's und joggte los. (Anna Sawerthal, 22.1.2019)