SPÖ-Chefin Rendi-Wagner macht Druck bei der Pflege.

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Wien – Tempo fordert SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner bei der Erstellung eines Pflegekonzepts. Dass Pflege auf der türkis-blauen Agenda stehe, sei zwar begrüßenswert, aber bisher gebe es nicht mehr als "Ankündigungen und Überschriften". Lösungen gebe es frühestens Ende des Jahres. Es entstehe der Eindruck, dass die Regierung damit das Thema Pflege "auf die lange Bank schiebt", sagt Rendi-Wagner im STANDARD-Gespräch.

Sie fordert eine jährliche Anpassung des Pflegegelds an die Inflation, damit Betroffene eine "verlässliche finanzielle Unterstützung" erhalten, die nicht an Wert verliere. Dieser Schritt soll auch gesetzlich verankert werden. Entscheidend ist für die SPÖ, dass die Wertanpassung alle Pflegegeldstufen betrifft.

Erhöhung noch offen

Auch Türkis-Blau hat vorgesehen, das Pflegegeld anzuheben. In welchem Ausmaß und für welche der sieben Pflegestufen das gelten soll, ist aber noch nicht fix. Die Pflegestufen orientieren sich am Betreuungsbedarf der Betroffenen. Zunächst wollte die Regierung erst ab Pflegestufe vier die finanziellen Mittel aufstocken, ließ aber zuletzt offen, ob es nicht doch auch in den niedrigeren Stufen Anpassungen geben könnte. Für Rendi-Wagner ist das zentral, denn: "Fast 70 Prozent aller Pflegebedürftigen haben Pflegestufe eins bis drei." Das seien vor allem Menschen, die außerhalb von Pflegeheimen betreut werden, sie seien vom Pflegegeld besonders abhängig.

50 Millionen Kosten

Die Kosten für eine Anpassung des Pflegegelds beziffert die SPÖ auf 25 Millionen Euro pro Prozent, also auf insgesamt 50 Millionen Euro. Die roten Berechnungen orientieren sich an der vom Wirtschaftsforschungsinstitut angegebenen Inflation von zwei Prozent.

Gegenfinanzierung hat Rendi-Wagner keine vorgesehen. "Wir haben ein florierendes Wirtschaftswachstum", stellt die SPÖ-Chefin klar. Der Finanzminister verfüge über gute Einnahmen, von denen bloß Industrie und Wirtschaft profitierten, kritisiert sie.

Denkanstoß für Hofer

Zuletzt wurde das Pflegegeld 2016 angepasst, damals stellte mit Alois Stöger noch die SPÖ den Sozialminister. Bis vor kurzem plädierten übrigens auch die Freiheitlichen für eine Inflationsanpassung des Pflegegelds, zumindest sprach sich Norbert Hofer im Präsidentschaftswahlkampf 2016 dafür aus. "Daran müsste man ihn erinnern", meint Rendi-Wagner.

Rund 465.000 Menschen beziehen in Österreich derzeit Pflegegeld, Rendi-Wagner geht davon aus, dass sich diese Zahl in den nächsten Jahren verdoppeln wird. Ein weiteres Anliegen der früheren Gesundheitsministerin ist eine Finanzierung aus einem Topf. Derzeit liegt die Auszahlung des Pflegegelds beim Bund, Sachleistungen großteils bei den Ländern, und zusätzlich gibt es noch einen Pflegefonds, der von beiden gespeist werde. Das sei nicht zielführend, ist die SPÖ-Chefin überzeugt. Sie will auch Pflegeservicestellen einrichten, damit Betroffene und ihre Familien rasch die beste Betreuungsform ermitteln können. Für Gespräche mit der Regierung ist sie offen.

Gütesiegel

In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Liste Jetzt durch Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) werden indes Details zum geplanten Gütesiegel für Vermittler von 24-Stunden-Betreuungskräften genannt. Das Siegel ist Teil des im Dezember angekündigten Masterplans Pflege und soll einheitliche Standards für Vermittlungsagenturen schaffen.

Vorgesehen sind laut der Beantwortung verpflichtende quartalsweise Kontrollbesuche durch diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger. Außerdem soll ein Mindestmaß an Ausbildung für die Betreuungskraft vorgeschrieben sein. Die Anforderungen richten sich nach den derzeit geltenden Kriterien für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung: Sie schreiben vor, dass eine Betreuungskraft entweder eine Ausbildung haben muss, die der einer Heimhilfe gleicht, oder schon seit sechs Monaten eine Person sachgerecht betreuen muss. Zertifizierte Vermittlungsagenturen müssen außerdem in Zukunft sogenannte "Notfallpläne" bereitstellen.

Inkasso weiter erlaubt

Toleriert werden weiterhin umstrittene Inkassoklauseln, durch die Betreuungskräfte ihre Vermittler dazu ermächtigen, Zahlungen für sie abzuwickeln. Der Verein für Konsumenteninformation kritisiert, dass Betreuungskräfte dadurch in eine Abhängigkeit geraten und die Kontrolle aus der Hand geben müssen.

Das Gütesiegel ist gesetzlich nicht bindend und wird gemeinsam mit der Wirtschaftskammer (WKO) ausgearbeitet. Es wird, sagt Robert Pozdena von der Wirtschaftskammer Niederösterreich, nur an Vermittler vergeben werden, die Sitz, Gewerbeberechtigung und Rechtsstand in Österreich haben. Derzeit sind rund 800 Vermittlungsagenturen bei der WKO gemeldet, viele von ihnen kooperieren mit Agenturen in Osteuropa.

Jetzt-Abgeordnete Daniela Holzinger kritisiert, dass das Gütesiegel gesetzlich nicht bindend ist und keine Anforderungen an die Deutschkenntnisse der Betreuerinnen vorgesehen sind. Mit dem derzeitigen Plan werde vor allem Rücksicht auf die Wirtschaftstreibenden genommen, nicht aber auf Familien mit Betreuungsbedarf. (Marie-Theres Egyed, Gabriele Scherndl, 23.1.2019)