Am Freitagabend wird die Wiener Innenstadt wieder von Uniformen aller Arten beherrscht werden: einerseits die schlagenden Burschenschafter entweder in "Vollwichs" oder im Frack, aber mit schwarz-rot-goldener Schärpe und ebensolchem Mützenband (Version Strache und Hofer); andererseits möglicherweise wieder der "Schwarze Block" der (meist deutschen) Linksextremen mit vorschriftsmäßigem Kapuzenpulli; dazwischen die Einsatzpolizei in ihrem schweren "Riot-Gear", die die einen vor den anderen schützen soll. Es ist wieder "Akademikerball" in der Hofburg.

Seit 2013 eine Veranstaltung der FPÖ, nachdem es vorher der Ball des Wiener Korporationsrings war, der von mehrheitlich schlagenden Hochschulverbindungen ausgerichtet wurde. Macht aber keinen großen Unterschied, denn die heutige FPÖ ist vollkommen von den schlagenden Burschenschaftern dominiert. Diese sind rechts. Sehr rechts. Manche sagen, rechtsextrem. Die FPÖ ist aber Regierungspartei, stellt den Vizekanzler, die Dritte Präsidentin des Nationalrats, etliche Minister und so weiter.

Da stellt sich schon seit längerem die Frage: Was bedeutet rechts (oder rechtsextrem) eigentlich heute? Ist die FPÖ eine sehr rechte, rechtspopulistische oder rechtsextreme Partei? Soll/muss man zwischen den verschiedenen Spielarten sehr rechter Politik unterscheiden? Wo ist die Grenze zwischen demokratisch akzeptabel und nicht akzeptabel? Darf man den Fehler machen, jede rechte Politik gleich mit der Punze "Nazi" zu versehen? Fragen, die ziemlich engagiert in den Onlineforen, auch des STANDARD, diskutiert werden.

Rechte Parteien in Europa

Parallel mit dem Aufstieg rechter Parteien in Europa. Verhältnismäßig einfach ist die Sache mit dem Rechtskonservativismus (siehe Wissen). Er will eine andere Gesellschaft, hat aber keine undemokratischen Ziele und Methoden. Aber die Grenzen zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus verschwimmen, und auch innerhalb des Rechtspopulismus gibt es Schattierungen. Wenn der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig länger in der Stadt ansässige Bürger beim Zugang zu Wohnungen und Arbeitsplätzen gegenüber Neuzuwanderern bevorzugen woll, so ist das argumentierbar, aber milde rechtspopulistisch.

In Deutschland hat der Verfassungsschutz die Parlamentspartei AfD als Rechtsextremismus-Verdachtsfall auf eine "Prüfliste" gesetzt. Interessant dabei die Begründung, nämlich der "biologistisch-rassistische oder ethnisch-kulturelle Volksbegriff". Wer "eine Gesellschaft will, in der bestimmten Gruppen von Menschen ein von vorneherein abgewerteter rechtlicher Status zugeschrieben wird und diese einer demütigenden Ungleichbehandlung ausgesetzt werden, wendet sich gegen die Garantie der Menschenwürde". Innerhalb der EU gibt es bereits drei rechtsextreme Regierungen bzw. führende Politiker.

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und der italienische Innenminister Matteo Salvini.
Foto: APA/AFP/MARCO BERTORELLO

Rechtsextrem ist Ungarns Viktor Orbán mit seiner Ideologie eines "reinen", christlichen ungarischen Volkes, seiner Aushebelung demokratischer Institutionen wie des Verfassungsgerichts, seinem Ziel einer "illiberalen" Demokratie und seiner massiven antisemitischen Kampagne gegen George Soros.

Rechtsextrem ist die polnische Regierungspartei PiS, die die Aushebelung des Verfassungsgerichts mit der Parole begründete: "Über dem Recht steht das Wohl des Volkes. "Rechtsextrem ist der italienische Innenminister und De-facto-Premier von der Lega, Matteo Salvini, der Migranten in öffentlichen Verkehrsmitteln separieren, Sinti und Roma "zählen" will und die "guten Dinge" an Mussolini preist.

Einzelfälle

Womit sich für Österreich die Frage stellt: Ist die Regierungspartei FPÖ rechtsextrem? Oder doch nur rechtspopulistisch? Historisch ist die Antwort klar: Die FPÖ (und ihre Vorläuferpartei VdU) war eine "Gründung von Ex-Nazis für Ex-Nazis" (der Politologe Anton Pelinka). Aber: Beim "Akademikerball" 2018 hielt Strache eine Rede, in der er den versammelten schlagenden Burschenschaftern eine klare Absage an den Antisemitismus vorhielt und den Nationalsozialismus verurteilte. Letzteres tat er auch bei verschiedenen anderen Gelegenheiten. FPÖ-Mitglieder und -Funktionäre aus der dritten Reihe, die durch NS-Affinität, entsprechende Postings in den sozialen Medien etc. auffielen, wurden großteils aus ihren Ämtern entfernt oder aus der FPÖ ausgeschlossen. Allerdings ist die Zahl dieser "FP-Einzelfälle" sehr groß.

Die NGOs Mauthausen-Komitee und SOS Mitmensch sowie die Website FPÖ-Fails dokumentieren laufend. Außerdem finden nach einiger Zeit die geschassten oder suspendierten Funktionäre mehr oder minder diskret wieder zur Partei zurück – besonders wenn sie so prominent sind wie der niederösterreichische FPÖ-Politiker Udo Landbauer, der in einem Ermittlungsverfahren gegen die Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt als Zeuge aussagen musste. Die schlagenden Burschenschaften sind bei der Beurteilung der FPÖ besonders wichtig. Unter der Führung von Heinz-Christian Strache (Vandalia), Norbert Hofer (Marko-Germania), Johann Gudenus (Vandalia) und Manfred Haimbuchner (Alemannia) sind die Burschenschaften der innere Kern und die Personalreserve der FPÖ geworden. Etliche davon stehen unter Rechtsextremismusverdacht.

Strache erteilt in seiner Rede am "Akademikerball" 2018 Antisemitismus eine klare Absage.
Foto: APA/FPÖ/ROBERT LIZAR

Ein führender Funktionär der FPÖ, der frühere Generalsekretär und jetzige Innenminister Herbert Kickl, hielt 2016 in Linz die Hauptrede vor dem "Kongress der Verteidiger Europas", einer Versammlung großteils rechtsextremer Vereinigungen (und sprach sie vom Rechtsextremismus frei). In allerjüngster Zeit fiel Kickl dadurch auf, dass er im Zusammenhang mit strengeren Maßnahmen gegen Asylwerber die Europäische Menschenrechtskonvention und das rechtsstaatliche Prinzip infrage stellte.In dem Zusammenhang ist die Haltung der FPÖ zum Islam zu sehen. Strache will eine eigene Gesetzgebung – offenbar analog zum Gesetz gegen NS-Wiederbetätigung, das die FPÖ nur widerwillig akzeptiert – gegen den "politischen Islam". Antiislamische Ausfälle seitens der FPÖ sind gar nicht zu zählen. SOS Mitmensch hat soeben die Sammlung Antimuslimischer Rassismus in der österreichischen Spitzenpolitik vorgelegt, in der die FPÖ prominent vorkommt.

Die FPÖ ist beides

Dennoch ergibt die Prüfung nach den Kriterien für Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, dass in der FPÖ beides anzutreffen ist. So wie es Anton Pelinka 2014 formulierte: "Rechtsextrem ist eine mehr oder weniger gut begründbare Wertung, genauso wie rechtspopulistisch."Die FPÖ hat gelernt, rechtspopulistische Forderungen, die ans Rechtsextreme anstreifen, gleichzeitig mit Beteuerungen der eigenen demokratischen Überzeugung zu präsentieren. Waren Strache und Hofer früher noch grundsätzlich für einen Öxit aus der EU und damit gegen eine Errungenschaft der europäischen Friedensordnung, sind sie (allerdings im Verbund mit EU-Feinden wie Marine Le Pen) jetzt für eine "andere EU".

Die Hinwendung zu einem autoritären Herrscher wie Wladimir Putin dagegen – ist diese nun noch rechtspopulistisch oder schon rechtsextrem? Die Hauptrichtung der FPÖ-Politik, der Kult um den "kleinen Mann", die "Fleißigen und Anständigen", die "Gerechtigkeit" für die Angehörigen des eigenen Volkes – "Dann werden wieder Österreicher bei Gemeindebauten bevorzugt und nicht Zuwanderer und Asylanten" (Strache) –, trägt eindeutig rechtspopulistische Züge. Wenn Strache allerdings wieder die Idee aufwärmen wollte, hier arbeitende "Ausländer" aus der Sozialversicherung auszuschließen und in eine eigene, viel weniger solidarische Sozialversicherung zu verbannen, dann wäre das rechtsextrem. Letztlich darf man sich keinen Illusionen hingeben. All die sehr rechten Parteien in Europa, ob sie nun rechtspopulistisch oder rechtsextrem sind oder beides, haben ein ganz anderes Bild von einer politischen und gesellschaftlichen Ordnung als die Verfechter einer liberalen Demokratie. (Hans Rauscher, 23.1.2019)