Frage:

"Meine Tochter ist 15 und voll in der Pubertät. Ich merke immer mehr, wie sie sich von mir entfernt und nicht mehr so offen ist wie früher. Im Gegenteil, sie macht total zu, auch wenn ich merke, dass sie etwas belastet und ich sie frage, was los ist. Klar ist das in dieser Phase normal.. und ich will auch nicht überängstlich sein. Aber ich habe gelesen, dass es für die Psyche von Teenagern gut ist, wenn sie mit ihren Eltern reden und auch ab und zu ihre Gefühle mitteilen. Manchmal weiß ich nicht einmal, was meine Tochter den ganzen Tag macht. Sie sagt dann, das geht mich nichts an.

Eine entspannte Tochter-Vater-Situation. Doch die Pubertät ist eine Zeit, in der auch Eltern die Welt manchmal nicht verstehen.
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Wie kann ich es schaffen, dass sie sich wieder mehr öffnet, ohne aus ihrer Sicht die uncoole Mutter zu sein, der sie Rechenschaft ablegen soll? Ich will sie ja zu nichts zwingen und dann ganz den Draht zu ihr verlieren."

Antwort von Katharina Weiner:

Ein guter Start in Ihre neue Beziehung mit Ihrer Tochter ist, sich von einer Erwartungshaltung hin zu einer elterlichen Präsenz zu entscheiden. Viele Fragen stellen, Lösungen anbieten, Rückmeldungen einfordern ... Sie haben Ihrer Tochter im Laufe des Heranwachsens alles Ihnen Wichtige mitgegeben und dürfen darauf vertrauen, dass sich all das gut in ihrem weiteren Leben integrieren und entwickeln wird. Jetzt braucht es allerdings den Austausch mit anderen, selbst Erfahrungen zu machen, sich neu zu orientieren. Das kann manchmal von beiden Seiten als schmerzhaft oder irrational empfunden werden.

Was Sie als Mutter für Ihre Tochter tun können, ist, sich einerseits über Ihre eigenen inneren Regungen bewusst zu werden (Angst, Sorge, Zuversicht, Neugier und vieles mehr) und als Vorbild gut auf sich zu achten. Zum anderen annehmen, was im Inneren Ihrer Tochter vorgeht. Wenn Sie ihr das genau so kommunizieren, ist das nicht uncool, sondern ehrlich. Als Eltern können wir nicht kontrollieren, zu welchen Menschen unsere Kinder werden. Deshalb braucht es auch jetzt die Botschaft "Ich bin für dich da, ich nehme dich an, so wie du gerade bist" und "Ich werde mein Bestmögliches tun, um dich zu unterstützen". Geben Sie Bescheid, wenn für Sie etwas gar nicht passt. Bleiben Sie achtsam physischen wie psychischen Veränderungen gegenüber. Und behalten Sie Ihren Humor. Meine Tochter findet meine 80er-Jahre-Frisur zum Brüllen und meine Geschichten als 15-Jährige ziemlich spannend. (Katharina Weiner, 27.1.2019)

Katharina Weiner ist Familienberaterin, Coach und arbeitet als Trainerin in der Elternbildung. Die Mutter einer Tochter leitet das Jesper-Juul-Familylab in Österreich.
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Antwort von Hans-Otto Thomashoff:

In der Pubertät wird alles bisher Gelernte infrage gestellt und neu bewertet. So entsteht, wenn alles gutgeht, eine stabile erwachsene Identität. Der Umbau im Gehirn, das Suchen und das Ausprobieren neuer Rollen, die neuen Rechte und Pflichten, all das bedeutet Stress, gerade heutzutage, weil bei der Suche nach der eigenen Identität viel äußerer Druck herrscht. Überall lauern wertende Vergleiche, die Zahl der Likes auf Facebook wird zum erbarmungslosen Gradmesser für den Erfolg beim Gestalten der eigenen Persönlichkeit. Der Konkurrenzdruck wächst, reicht von Hollywood bis ins eigene Handy und ist jederzeit allgegenwärtig. Gleichzeitig ermöglicht die größere Freiheit eine immer größere Beliebigkeit und bietet damit weniger Orientierung.

Da stellt sich nun die Frage, ob Sie, wohlgemerkt aus der Sicht Ihrer Tochter, ein passendes Vorbild darstellen. Denn ihr massiver Rückzug und ihre Ablehnung wirken ja aggressiv aufgeladen. Wenn Sie Ihrer Tochter den Raum geben, einmal ehrlich ihre Meinung zu sagen, kann das zwar schmerzhaft, aber durchaus konstruktiv sein. Wichtig dabei ist, dass eine solche Klärung stattfinden muss, wenn nicht gerade die Gefühle hochkochen, denn im Gefühl arbeitet der Verstand auf Sparflamme. Das bedeutet vorab eine Auszeit vereinbaren, wenn es zu heftig wird.

Auf der Basis eines solchen ehrlichen wechselseitigen Austauschs können Sie ihr erklären, warum Sie leben, wie Sie leben und was Sie ihr aufgrund Ihrer Lebenserfahrung mitzugeben wünschen, wobei es an ihr liegt, was sie daraus macht. Und Sie können ihr Wege aufzeigen, wie man sich leichter tut mit dem Stress, den sie hat. Ehrliches Verstehen hilft, sich selbst anzunehmen, wenn in der Pubertät alles zu viel wird und man selbst die Welt nicht mehr versteht. (Hans-Otto Thomashoff, 27.1.2019)

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
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