Königin Elizabeth II hält für sich selbst "an bewährten Rezepten" fest – daraus könnte man einen Kommentar zum Brexit ableiten.

Foto: AFP / Stefan Rousseau

Das Leben von Elizabeth II sei ein Paradox, fasst der Londoner Autor Andrew Gimson zusammen: "Sie hat Autorität und ist gleichzeitig machtlos." Der Satz gilt gleichermaßen für die Ehefrau des über alle Maßen sturen Prinzen Philip (97), der trotz eines kürzlich von ihm verursachten Unfalls nicht vom Autofahren lassen will, wie für das Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland.

In letzterer Funktion wandte sich die 92-Jährige diese Woche an die Ortsgruppe des ehrwürdigen Women's Institute nahe ihrem Schloss Sandringham: Jede Generation habe ihre eigenen Herausforderungen und befinde sich auf der Suche nach neuen Antworten, reflektierte die Monarchin und erläuterte, sie selbst halte "an bewährten Rezepten" fest.

So weit, so harmlos. Dann aber kamen Sätze, die sich erkennbar an ein größeres Publikum richteten als nur an die Landfrauen der Grafschaft Norfolk: "Gut übereinander reden und unterschiedliche Standpunkte respektieren; gemeinsam nach Übereinstimmung suchen; und niemals das große Ganze aus den Augen verlieren." Aus ihrer Sicht, so die Queen, sei solches Vorgehen zeitlos: "Ich kann es nur jedem empfehlen."

"Große Weisheit"

Ähnlich hatte die Königin auch schon in ihrer Weihnachtsansprache geredet. Dass diesmal der Buckingham-Palast die Äußerungen auf einem wenig beachteten Termin an die Medien weitergab, deutet darauf hin, dass Elizabeth und ihre Berater mit der damaligen Reaktion unzufrieden waren. Diesmal hingegen schlug die Intervention des Staatsoberhauptes Wellen. "Queen verlangt das Ende der Brexit-Fehde" lautete die Schlagzeile der Times. Von "großer Weisheit" sprach Finanzminister Philip Hammond. Einer der wichtigsten Verfassungskenner, Lord Peter Hennessy, gab den Sätzen der Queen die Note "tadellos: Es geht um Höflichkeit und Zuvorkommenheit, nicht um Politik."

Den Unterschied hat die seit knapp 67 Jahren amtierende Königin meist penibel beachtet. Ihre letzte fragwürdige Entscheidung liegt lang zurück: Im Herbst 1963 ließ sich die damals schwangere Königin von Premierminister Harold Macmillan in der Frage manipulieren, wer ihm, dem Schwerkranken, nachfolgen solle. Seither achtet der Palast peinlichst darauf, nie wieder in die parteipolitische Arena gezerrt zu werden.

Genau dies hatte zuletzt der Brexit-Vorkämpfer Jacob Rees-Mogg ins Spiel gebracht, der an einem Chaos-Brexit per 29. März festhält. Um ein nun diskutiertes Gesetz zu verhindern, das den EU-Austritt verzögern würde, müsse die Queen auf Antrag der Regierung die Parlamentssitzung bis zum 30. März vertagen. Der stets altmodisch auftretende Parlamentarier verschleierte seinen Angriff auf die Souveränität des Unterhauses, indem er von "verkümmerten" Verfassungspraktiken sprach.

"Nicht einmischen"

Kenner von Monarchie und Verfassung winken hingegen ab. Fast alle vernünftigen Menschen, glaubt Gimson, "sind darauf bedacht, dass sie sich nicht einmischt." Bündiger sagt es der Autor des Standardwerkes Die neue britische Verfassung, Vernon Bogdanor: "Es gibt nichts, was die Queen tun könnte oder tun sollte."

Höchstens zur Gelassenheit mahnen. Wie sehr die Briten solcher Appelle zur Mäßigung bedürfen, verdeutlichen zwei aktuelle Ereignisse. Rees-Moggs Vize in der Hardlinergruppe ERG, Mark Francois, sprach von seinem Wunsch, Premierministerin Theresa Mays Europa-Chefberater Oliver Robbins als "Verräter" in den Tower zu werfen. Und eine Umfrage unter Brexit-Gegnern ergab: 37 Prozent hätten Einwände, wenn ein naher Verwandter einen Brexit-Befürworter heiraten wollte. (Sebastian Borger, 25.1.2019)