Klar, er war auch schon der Gute, aber für viele ist er das personifizierte Böse. Denn die Rolle des SS-Oberst Hans Landa in Quentin Tarantinos Inglourious Basterds hat ihn weltberühmt gemacht, und auch in James Bond 007: Spectre mimte er überzeugend den Bösewicht. Jetzt musste sich Christoph Waltz sein diabolisches Lächeln jedoch abgewöhnen, denn im neuen Film Alita: Battle Angel spielt er als Dr. Dyson Ido einen der Guten. Selbstverständlich kein Problem für einen Oscar-prämierten Schauspieler.

Auch beim Interview im Hotel Adlon in Berlin ist an Waltz' Lächeln keine diabolische Note zu erkennen. Etwas gezwungen wirkt es trotzdem. Kein Wunder, schließlich war sein Flieger mehrere Stunden verspätet, was seinen ohnedies vollen Terminplan noch dichter gedrängt machte. Nichtsdestotrotz nimmt er sich Zeit für ein schnelles Gespräch über Gut und Böse.

Christoph Waltz (2. v.l.) auf Promotiontour am 30. Jänner in Berlin. Mit ihm im Bild: Produzent Jon Landau, Rosa Salazar und Regisseur Robert Rodriguez. (v.l.n.r.)
Foto: apa/afp/kalaene

STANDARD: Viele Menschen verbinden Sie mit der Rolle des Bösewichts. In Ihrer neuen Rolle als Dr. Dyson Ido in "Alita: Battle Angel" sind Sie auf der Seite der Guten. Eine bewusste Entscheidung?

Christoph Waltz: Ich kümmere mich nicht um diese Kategorien, sie sind nur das Ergebnis. Ich bin nicht für das Ergebnis, sondern für den Vorgang zuständig. Die moralische Frage, die Unterscheidung von Gut und Böse stellt sich dabei gar nicht.

STANDARD: Ihre Figur sagt im Film zur Protagonistin: "This is just your body. It's not bad or good. This part's up to you." (Das ist nur dein Körper. Er ist nicht gut oder böse. Diese Entscheidung liegt bei dir.) Gibt es überhaupt eine klare Unterscheidung zwischen den beiden Polen?

Waltz: Das Zitat erklärt mehr oder weniger ganz gut meine eigene Position. Extrempositionen eignen sich nur als Gegenüberstellungen. Denn die Kräfte wirken in dem Feld dazwischen. Das ist es auch, wo ich mich gern aufhalte. Vielen fehlt aber das Instrumentarium, in diesem Mittelfeld ein Gefühl für ihre eigene Individualität zu erwerben. Da ist es natürlich einfacher, seine eigene Position im Extrem zu bestimmen. Das war auch in Schwarz-Weiß-Western schon immer so: Cowboys mit weißem Hut, Cowboys mit schwarzem Hut. Da war völlig klar, wer der Böse ist. Er erfüllt alle Bedingungen, unter denen ich sofort auf Anhieb einen Bösewicht erkennen kann.

Fotograf Joachim Gern hat Christoph Waltz in der Filmkulisse "Berliner Straße" am Gelände der Filmstudios Babelsberg fotografiert.
Foto: Joachim Gern

STANDARD: Wie sehen Sie die Rolle der Politik im Spannungsfeld zwischen Gut und Böse?

Waltz: Es gilt danach zu trachten, Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sich die Bürger mit Sicherheit und Selbstvertrauen zwischen den Extremen bewegen. Das lässt sich nur über Bildung und Kultur herstellen. Interessanterweise sind das aber genau die beiden Gebiete, die von der Politik gerne vernachlässigt werden. Da frage ich mich, ob das absichtlich passiert? Und ich würde behaupten: Ja!

STANDARD: Vernachlässigt durch politische Bösewichte ...

Waltz: Ja. Die Personen oder Institutionen, die das absichtlich vernachlässigen, würde ich als Bösewichte bezeichnen. Sie betreiben perfide faschistoide Manipulation. Man darf zum Beispiel nicht vergessen, dass die Mehrheit der Menschen Trump nicht gewählt hat. Er hat aufgrund des US-Wahlsystems gewonnen. Vor kurzem habe ich in einem persönlichen Gespräch gemutmaßt, viele aktuelle Entwicklungen in den USA könnten damit zu tun haben, dass die Nation keine faschistische Periode erlebt hat.

In unseren Breiten hier in Europa haben fast alle Länder eine solche Periode durchgemacht und sie letzten Endes überwunden. Mein Gesprächspartner meinte daraufhin, ich würde mich irren, der Faschismus sei in den USA längst angekommen. Es handle sich nur um eine andere Form, als wir es in Österreich und Deutschland gewohnt sind. Es sind nicht immer Hakenkreuze oder blankpolierte schwarze Stiefel, die aufs Pflaster knallen. Das ist harter Faschismus. Der weiche hat längst um sich gegriffen. Da musste ich schlucken, denn mir fiel kein gutes Gegenargument ein.

20th Century Fox

STANDARD: Sie kennen sowohl den mitteleuropäischen als auch den nordamerikanischen Kulturkreis gut. Wie verhält es sich hier und dort mit der Bildung als Mittel, um sich zwischen Gut und Böse bewegen zu können?

Waltz: In Deutschland empfinde ich das Bildungsniveau als relativ hoch. Die kulturelle Auseinandersetzung und der Diskurs werden noch ein bisschen mehr gepflegt. Das galt bisher leider für Deutschland mehr als für Österreich. Wobei ich aktuelle Entwicklungen nicht beurteilen kann, da ich zu selten in Österreich verweile. Aber ich weiß schon, dass sich auch hier nicht alle vor so manchem Kasperl auf den Bauch schmeißen. In den USA wiederum leben noch immer Menschen, die standfest behaupten, die Evolution sei eine Meinung und die Erschaffung der Welt in sechs Tagen durchaus eine belegbare Tatsache. Gegen extreme religiöse Positionen ist schwer zu argumentieren.

STANDARD: Nicht nur im Film "Alita: Battle Angel" wird das Böse mittels Gewalt bekämpft. Ist Gewalteinsatz im Einsatz für das Gute wirklich gut?

Waltz: Nein. Und im Zuge des Ehrgeizes, Frauen zu ermächtigen, glaubt man, die Fehler der Männer auf Frauen projizieren und diese dadurch zu gleichberechtigten Teilnehmern der Gesellschaft stilisieren zu können. Es war schon bei Männern ein Irrtum, dass sich alles mit Gewalt lösen lässt. Wenn ich das jetzt auf Frauen übertrage, hab ich nur den Blödsinn umgedreht, für die Frauen selbst aber noch überhaupt nichts erreicht. Ganz viele Drehbücher, die ich in letzter Zeit bekomme, haben weibliche Hauptfiguren, die genauso gewalttätig sind wie die Männerrollen, die vorher schon langweilig waren. Die können jetzt schießen, prügeln, schlagen, treten, kommen überall durch. Aber was haben wir damit für Frauen gewonnen? Gar nix.

STANDARD: Also doch lieber traditionelle Frauenrollen?

Waltz: Nein. Aber ich verstehe nicht, dass sie durch Gewaltausübung Stärke zugeschrieben bekommen sollen. Man sollte auch bei Männern Stärken entdecken, die nicht auf Gewalt beruhen. (Michael Steingruber, RONDO, 1.2.2019)

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