Johannes Voggenhuber wird wieder Spitzenkandidat – diesmal für die "Initiative 1 Europa", unterstützt von der Liste Jetzt.

Foto: apa / roland schlager

Beim Blick in die Journalistenrunde sieht Johannes Voggenhuber viele "Gesichter, die ich noch gar nicht kenne". Er führt das auf die starke Fluktuation in der Branche zurück. Wahr ist auch: Der heute 68-Jährige war zwar mehr als 30 Jahre in der Politik, bis er den Grünen gekränkt den Rücken zukehrte, weil sie ihn nicht mehr als EU-Kandidaten wollten. Die letzten zehn Jahre stand er also nicht mehr im Rampenlicht.

Das soll sich nun wegen eines anderen ändern, den das gleiche Schicksal ereilt hat: Voggenhuber tritt für Peter Pilz' Liste Jetzt an. Streng genommen für die "Initiative 1 Europa", eine "offene Plattform".

Kein Racheprogramm

"Fantastereien", dass sich da "ein alter Mann rächt", seien selbstverständlich Unsinn, sagt Voggenhuber bei der Präsentation der Initiative am Montag: Er habe die Grünen sogar eingeladen, an der Initiative teilzunehmen und auf dem zweiten Platz – hinter ihm – eine Kandidatin aufzustellen. Das hätte er aus Sicht der aus dem Parlament geflogenen Partei "nicht unattraktiv" gefunden. Leider hat sich Voggenhubers ehemalige Partei nicht darauf eingelassen – jetzt "kandidieren die Grünen, soweit ich das sehen kann, mit dem Programm, das ich ihnen geschrieben habe".

Der langjährige Grünen-Politiker Johannes Voggenhuber tritt als Spitzenkandidat einer Initiative um Jetzt bei der EU-Wahl an.
ORF

Voggenhuber und die Grünen, das war schon vor dem endgültigen Bruch nicht immer einfach. Gleichzeitig war der innerparteilich oft lästige und laute Kritiker ein Pionier der Partei: 1982 errang das Gründungsmitglied den ersten grünen Regierungsposten Europas als Stadtrat in seiner Heimat Salzburg. Später wurde er Bundesgeschäftsführer der Grünen und für zwei Jahre Klubobmann im Parlament. Eine Zeit, in der er sich heftig gegen einen Beitritt Österreichs zur Europäischen Union aussprach – bis zu dem Moment, als bei der Volksabstimmung im Jahr 1994 klar wurde, dass die Mehrheit im Land seine Meinung nicht teilte. Schon ab 1995 saß er, als einziger grüner Abgeordneter aus Österreich, im Europäischen Parlament.

Rückzug nach Abfuhr

Für die Grünen holte Voggenhuber drei Wahlsiege, bei seiner letzten Kandidatur für die Partei im Jahr 2004 mit 12,9 Prozent sogar das bis dahin beste bundesweite Ergebnis der Parteigeschichte*. Dennoch wollte ihn die Partei für die EU-Wahl 2009 nicht als Spitzenkandidaten aufstellen und schickte stattdessen Ulrike Lunacek ins Rennen.

Voggenhuber erzählt die Geschichte so, dass ihn die damalige Parteiführung, bestehend aus Alexander Van der Bellen und Eva Glawischnig, laut seinen Angaben schon längst loswerden wollte. "Ich bin da in einen Geschlechterkampf geraten", sagte er nach seinem (heute wissen wir: vorläufigen) Rückzug aus der Politik. Den Begriff "Silberrücken", der parteiintern sowohl ihm als auch Pilz zugeschrieben wurde, findet er sexistisch.

Dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist, sei "eigentlich auch gut so. Sonst gäb's ja keinerlei Erneuerung in den Parteien, weil die Alten sich stets auf die Dankbarkeit berufen würden." Nun wird er aus der Pension zurückgeholt.

Unionsbürger als Souverän

Trotz seiner anfänglichen Skepsis entwickelte sich Voggenhuber ab 1995 schnell zum radikalen Europäer. Das wurde vor allem sichtbar, als er Mitglied des Konvents wurde, der eine eigene Verfassung für die Union entwarf – die aber letztlich am Widerstand Frankreichs und der Niederlande scheiterte. Auch deshalb tritt der Exgrüne heftig gegen die ständige "Verletzung der Gewaltenteilung" auf: Die Mitglieder des Europäischen Rats sind Regierungspolitiker. Voggenhuber fordert, dass sie direkt gewählt werden.

Überhaupt sollen die Bürger der Union endlich als Souverän anerkannt werden und europaweite Volksabstimmungen ermöglicht werden, findet Voggenhuber. Er könne sich etwa vorstellen, dass die Hälfte der Gesamtbevölkerung und zwei Drittel der Mitgliedsstaaten für eine Zustimmung erforderlich sind. Die Union soll auch die großen Probleme lösen: "Die Beendigung des Steuer- und Sozialdumpings durch gemeinsame Mindeststandards", "Finanzausgleich zwischen armen und reichen Mitgliedsstaaten", eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung.

Wer Voggenhuber fragt, wie seine Ideen für Europa lauten, muss sich auf eine längere Antwort im Stakkato einstellen. Die Grundaussage: "Wir müssen versuchen, wegzukommen von einer Union der Völker und Staaten." Damit ist der Kandidat der "Initiative 1 Europa" europapolitisch die genaue Antithese zur FPÖ, die sich ein "Europa der Vaterländer" wünscht. Den Begriff "Vereinigte Staaten von Europa", wie ihn Neos verwenden, bezeichnet Voggenhuber als "dumm", zu belastet und den Punkt nicht treffend: eine "Republik Europa" brauche es. Und nein, den Begriff habe nicht Robert Menasse erfunden, sondern er.

Schwierigkeiten mit Pilz

Nun strahlt der Exgrüne sein Selbstbewusstsein wieder in einem EU-Wahlkampf aus, ermöglicht und finanziert, aber laut dem Spitzenkandidaten unabhängig von der Liste Jetzt, die von seinem früheren Parteifreund Peter Pilz gegründet wurde.

Wie stellt er sich die Zusammenarbeit mit Pilz vor, die ja schon zu gemeinsamen Grünen-Zeiten oftmals schwierig war? "Die wird nie einfach sein", sagt Voggenhuber und muss lachen. "Aber wir sind imstande, Konflikte nicht nur zu schaffen, sondern auch zu lösen." (Sebastian Fellner, 4.2.2019)