Addis Abeba – Journalisten im Gefängnis, Webseiten geblockt, regierungskritische Stimmen unterdrückt: Lange galt Äthiopien als eins der schlimmsten Länder weltweit in Sachen Pressefreiheit. Doch seitdem der neue Regierungschef Abiy Ahmed an der Macht ist, gibt es Anzeichen eines Wandels.

Reporter wurden aus der Haft entlassen oder zur Rückkehr in das Land ermutigt, Blogs und Webseiten wurden freigeschaltet – und Reformen versprochen. Allerdings sind repressive Gesetze noch in Kraft. Auf dem Index der Pressefreiheit von Reporter Ohne Grenzen steht Äthiopien auf Platz 150 von 180 Ländern. Journalisten im Land schwanken zwischen Hoffnung und Skepsis.

"Äthiopien war eines der Länder mit der weltweit intensivsten Zensur", sagte Angela Quintal, die Afrika-Leiterin des Committee to Protect Journalists (CPJ), der Deutschen Presse-Agentur. Die Regierung ließ jahrelang kaum Kritik und Opposition zu. Mithilfe eines Anti-Terror-Gesetzes ging der Staat gegen die Medien vor. 2016 saßen CPJ zufolge 16 Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Oft wurde das Internet abgeschaltet und die Nutzung Sozialer Medien eingeschränkt, Journalisten wurden eingeschüchtert. "Früher vermied ich es, über bestimmte Themen wie Politik zu berichten", sagt Sisay Wounshet vom Radiosender Afro FM. "Ich redete noch nicht einmal darüber, weil ich Angst hatte, ins Gefängnis zu kommen."

Sperren aufgehoben

Doch seit Abiy Ahmed im April vergangenen Jahres an der Macht ist, ändert sich die Lage. Der 42-Jährige brachte politische Reformen auf den Weg und signalisierte: Auch für die Medien soll es künftig besser werden. Stolz erklärte er jüngst beim jährlichen Treffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos, derzeit seien keine Journalisten in äthiopischen Gefängnissen. Seine Regierung hob nach eigenen Angaben die Sperre von mehr als 260 Webseiten und Blogs auf. Medien, die in Äthiopien verboten waren, durften aus dem Exil zurückkehren, wie Quintal sagt. Arnaud Froger, der Afrika-Leiter von Reporter ohne Grenzen, schreibt, "die neue äthiopische Regierung scheint entschlossen, nach Jahren der Verfolgung von Medien-Mitarbeitern eine neue Seite aufzuschlagen."

"Die Atmosphäre ist viel entspannter, wenn es um Meinungsfreiheit geht", sagt der Journalist Elias Gebreselassie, der freiberuflich für örtliche sowie internationale Medien arbeitet. Nun, da die Regierung mit anderen Dingen beschäftigt sei oder den Medien bewusst etwas mehr Freiraum gebe, fühlten sich Journalisten wohler.

Übergangsphase

Doch Aktivisten und Journalisten warnen, voreilig die neugewonnene Pressefreiheit in Äthiopien zu feiern. Vieles müsse sich noch ändern, sagt Quintal. Das Anti-Terror-Gesetz bestehe weiterhin, "obwohl die Regierung gesagt hat, dass sie bestimmte Gesetze überprüft und umformulieren möchte". Noch immer werde das Internet ab und zu abgeschaltet, und Äthiopien sei weiterhin ein "Überwachungsstaat". Human Rights Watch und andere Menschenrechtsorganisationen sind außerdem besorgt über ein geplantes Gesetz gegen Hassbotschaften.

Journalist Elias betont, Äthiopien sei in einer "Übergangsphase" und man könne noch nicht sagen, inwiefern die Regierung bereit sei, langfristig transparent und tolerant zu sein. Nötig sei ein "starkes Mediengesetz, das die Meinungsfreiheit garantiert" – sonst könne man sich nicht darauf verlassen, dass die Fortschritte in Sachen Pressefreiheit anhalten. (APA, 5.2.2019)