Lena Jäger wird im Netz mit hasserfüllten Nachrichten bombardiert

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So "krass wie jetzt" sei es noch nie gewesen, sagt Lena Jäger. Dabei ist sie als Projektleiterin des Frauenvolksbegehrens regelmäßige Anfeindungen gewöhnt. Seit einem Auftritt bei Ö24 und der anschließenden Mobilisierung durch die rechtsextreme Identitäre Bewegung prasselt jedoch Hass in einer neuen Dimension auf Jäger herein. Zum ersten Mal meldeten sich Personen nicht öffentlich, sondern über private Kanäle wie dem Facebook Messenger bei ihr – und zum ersten Mal muss sie rechtliche Schritte ergreifen, sagt Jäger im Gespräch mit dem STANDARD.

Satz aus Kontext gerissen

Der angebliche Grund für die Entrüstung soll ein provokanter Halbsatz sein, den Jäger in einer Diskussion auf Ö24.tv aussprach. So sagte Jäger mit Blick auf das Argument der "Importieren Gewalt gegen Frauen", dass Deutschland weitaus mehr Flüchtlinge aufgenommen habe, es aber nur halb so viele Frauenmorde gäbe.

Präzise, länderübergreifend vergleichbare Statistiken sind in diesem Bereich schwierig zu finden. Schon die Definition von Flüchtlingen (Asylwerber, Asylberechtigt) oder Gewalt an Frauen (Morde an Frauen, Femizide, Partnerschaftsgewalt) ist umstritten. 2017 gab es in Deutschland 233 in Partnerschaft oder Ehe getötete Frauen, in Österreich hingegen 34 Frauenmorde. Nimmt man diese Grundwerte, ist die Tendenz von Jägers Aussage richtig. Bei pro Kopf aufgenommenen Flüchtlingen in den letzten fünf Jahren sind Österreich und Deutschland hingegen gleichauf. Nimmt man in Deutschland nicht die für derartige Thematiken präzise Statistik zu Gewalt in der Partnerschaft, sondern Frauenmorde insgesamt, gleicht sich das Verhältnis weiter an.

"Ich pack das überhaupt nicht"

Für Martin Sellner, den Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung, ist es "eine Frechheit", dass "diese Person es wagt", so etwas zu behaupten. "Ich pack das gerade überhaupt nicht", so Sellner, obwohl er erwähnt, dass Jäger den Satz später als "neckisch" bezeichnete. Er interpretiert Jägers Satz so, dass "du und ich schuld" an den aktuellen Frauenmorden seien. Er hoffe, dass sich die Österreicher diese "unfassbare Beleidigung" nicht gefallen ließen.

Darum ließen sich die Anhänger seiner rechtsextremen Bewegung nicht zwei Mal bitten: Seit der Publikation des Videos vergangenen Samstag setzte eine Mobilisierung ein, die zu hunderten Hassnachrichten gegen Jäger führte. Die Stoßrichtung hatte Sellner in seinem Video mit dem Satz, Jäger sei "ihres Zeichens eine .. ja... gewichtige Persönlichkeit", schon vorgegeben.

Kein Diskurs

"In den Hassnachrichten werde ich beschimpft, weil ich dick, deutsch und lesbisch bin", sagt Jäger, "was soll ich darauf denn antworten?" An einem sachlichen Diskurs oder zumindest einer Nachfrage zu den Statistiken sei fast niemand interessiert. "Nur eine einzige Person hat mich etwas gefragt", sagt Jäger – die anderen hätten sie einfach nur beschimpft.

Dabei attestiert ihr auch das politisch andersdenkende Lager Diskussionsqualitäten. "Aus meiner Sicht kann man mit Frau Jäger ganz normal reden, ich habe sie ja schon in mehreren Diskussionen erlebt und schätze sie als Person", sagt der ehemalige Abgeordnete Marcus Franz, der auf Ö24.tv mit Jäger debattiert hat. "Wir haben in vielen Dingen völlig unterschiedliche und teils gegensätzliche Ansichten und Lena Jäger kann durchaus auch mal provozieren und kräftig übertreiben, aber deswegen muss man sie nicht persönlich attackieren", sagt Franz, dem schon des Öfteren Sexismus vorgeworfen wurde.

Hass auf Emanzipation

Der Hass auf Jäger könnte daran liegen, dass das Frauenvolksbegehren und seine Ziele diametral zu den Anliegen der rechtsextremen Identitären stehen. Die Politikwissenschafterin Natascha Strobl hat ein Buch über die Identitäre Bewegung mitverfasst. Sie sagt: "Die Identitären sehen Frauen unter einem völkischen Gesichtspunkt. Es geht ihnen nie um Frauenemanzipation an sich." Emanzipation sei vielmehr eine " Gefahr für die Nation, da sie die wichtigste Rolle der Frauen, nämlich Kinder zu kriegen, gefährde."

Es gehört mittlerweile zur Strategie der extremen Rechten, Frauenmorde politisch zu instrumentalisieren. Den Auftakt setzte dafür in den letzten Monaten der Mord an einer 15-Jährigen im deutschen Kandel, für den ein als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling eingereister Afghane verurteilt worden ist. Das versuchten Rechtsextreme nun auch in Steyr und Wiener Neustädten, zwei Schauplätzen der jüngsten Frauenmorde in Österreich, zu wiederholen. Auch im Netz werden über rechtsextreme Plattformen emotionale Meldungen zu Frauenmorden durch Flüchtlinge verbreitet, während das bei Morden von Österreichern an Österreicherinnen nur selten der Fall ist. In den meisten Fällen geschieht Gewalt innerhalb einer Beziehung, das Narrativ eines Flüchtlings, der einer ihm unbekannten Frau auflauert, ist im Netz und in vielen Medien jedoch überrepräsentiert.

Das Frauenvolksbegehren will Gewalt an Frauen etwa durch Gewaltschutztrainings und geschlechtersensible Pädagogik bekämpfen. Außerdem soll bei weiblichen Flüchtlingen mit dem Geschlecht zu begründende Fluchtgründe beachtet werden sowie spezielle Schutzräume in Flüchtlingsunterkünften entstehen. (Fabian Schmid, 6.2.2019)