"Diese Berichterstattung hat mich nicht wenig geärgert", sagt Kardinal Schönborn.

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Wien – Kardinal Christoph Schönborns Aussage am Dienstag im Bayerischen Rundfunk, ein Pfarrer habe in seiner Jugend versucht habe, ihn zu küssen, machten österreichweit Schlagzeilen. Wie in den Medien damit umgegangen wurde, hat den Kardinal allerdings "nicht wenig geärgert". Denn: "Manche Schlagzeilen haben so getan, als hätte ich mich als Missbrauchsopfer geoutet", sagte er in einem via Kathpress verbreiteten Statement auf der Homepage der Erzdiözese.

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Den wirklichen Opfern gegenüber ungerecht

Es sei in diesem Teil des Gespräches um einen Blick in die Vergangenheit gegangen, so Schönborn, in diesem Zusammenhang habe er eine Episode als Illustration für den in den 50er Jahren noch viel verkrampfteren Umgang mit der Sexualität erzählt: "Ein von mir im Übrigen sehr geschätzter Priester hat mir verbal einen Kuss angetragen".

Er betonte jedoch, dass er sich selbst nicht als Opfer bezeichnen kann. Opfer wären "die vielen, denen wirklich Leid angetan wurde. Ihnen muss man zuhören, sie ernst nehmen." Was ihm damals passiert sei, "war sicher eine Grenzverletzung, und so etwas kann der Ausgangspunkt von Missbrauch sein", erklärte der Kardinal, "aber mich deswegen ein Opfer zu nennen, ist Sensationshascherei". Das sei den wirklichen Opfern gegenüber "ungerecht".

"Sie müssen erfahren, dass es Konsequenzen gibt"

In der vielzitierten TV-Diskussion saß Schönborn der Theologin und Philosophin Doris Wagner gegenüber, sie erlitt in der katholischen Gemeinschaft Das Werk verschiedene Formen psychischen und sexuellen Missbrauchs. "Wenn Personen wie Frau Wagner den Mut finden, über Missbrauch zu sprechen, der ihnen widerfahren ist", wird Schönborn auf der Seite der Erzdiözese zitiert, "werden sie gehört und es wird ihnen geglaubt. Und sie müssen erfahren, dass daraufhin auch etwas geschieht, dass es Konsequenzen gibt."

Papst muss "menschengerechte Macht-Kontroll-Struktur bauen"

Der ehemalige Generalvikar Helmut Schüller fordert indes angesichts der Missbrauchsfälle und der Aussagen von Kardinal Christoph Schönborn in einer Dokumentation des "Bayerischen Rundfunks" eine Kontrolle der Mächtigen. Die Strukturen seien "das ganz große Problem" der Kirche – nämlich die "fehlende Kontrolle derer, die Macht und das Sagen haben", so Schüller am Donnerstag in der "ZiB2".

Papst Franziskus müsse eine "menschengerechte Macht-Kontroll-Struktur bauen". Die Kirchenbürger – derzeit "ohne Rechte" – müssten Einschau bekommen, Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden können, und zwar "inklusive des Papstes", der die Leitungsverantwortung habe. Die von Schönborn angesprochenen "Strukturen und Systeme, die Missbrauch begünstigen" beschrieb Schüller damit, dass Priester "sakrosankt" seien, mit Vollmachten ausgestattet, die viele als Macht missbrauchten, aber ohne Rechenschaftspflicht oder Kontrolle.

Schönborn zollte Schüller für seine aufsehenerregenden Aussagen in der "BR"-Doku: Der Kardinal habe in den letzten Jahren immer wieder große Offenheit und mutige Positionen in der Missbrauchs-Debatte gezeigt, aber "das hat eine neue Qualität". (red, APA, 8.2.2019)