Aksel Lund Svindal ist trotz übler Stürze stets ein Freund des kalkulierbaren Risikos gewesen und damit zumeist gut gefahren.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Svindals größter Erfolg: Gold in der olympischen Abfahrt 2018.

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"Ich habe viele Fehler gemacht, wenn ich könnte, würde ich sie nicht mehr machen", sagte Aksel Lund Svindal – wie immer gutgelaunt, freundlich und sehr redselig – in der Copperhill Mountain Lodge hoch über Åre. "Es gab auf jeden Fall Zeiten, da hätte ich mehr attackieren können. Aber das ist Teil des Spiels." Der Doppelolympiasieger, fünffache Weltmeister und zweimalige Gesamtweltcupsieger hat viele Pläne für die Zeit nach seiner schillernden Karriere, die an jenem Ort ausklingen wird, wo er 2007 in der Abfahrt und im Riesentorlauf seine ersten WM-Titel gewann.

Im Allgemeinen bedauere er nichts. Weil es keinen Sinn mache, es nicht mehr zu ändern sei. Die Raserei am Limit würde ihm im Gegensatz zu Lindsey Vonn nicht so fehlen, weil er nicht das hohe, sondern vielmehr das kalkulierbare Risiko suche, wenn er ein Rennen gewinnen könne. Vonn sei in dieser Hinsicht verrückter als er. Generell und nun erst recht, freut er sich, Länder mit Palmen zu bereisen, weil man dort Leute treffe, die keine Ahnung haben vom Skifahren. Mit denen könne man über komplett andere Dinge reden und etwas unternehmen, in dem man vielleicht nicht so gut sei.

Früh hoch gehandelt

Der 36-Jährige aus Kjeller in der Nähe von Oslo, der durch den Tod seiner Mutter mit acht Jahren zur Halbwaise wurde, hat aber auch viel richtig gemacht in seiner Karriere, die ihm auch 36 Weltcupsiege und 80 Podestplatzierungen einbrachte. Sein großes Talent ließ er früh aufblitzen. Nach dem Besuch des Sportgymnasiums in Oppdal fand er schnell den Weg in den Weltcup, sein Debüt feierte er 2001 in Sölden. Mit vier Medaillen bei der Junioren-WM 2002 in Tarvisio, darunter Gold in der Kombination, wurde er rasch als Nachfolger von Kjetil André Aamodt und Lasse Kjus gehandelt.

"Ich hatte Glück, als ich in jungen Jahren anfing, gute Vorbilder wie Aamodt zu haben. Ich denke, dass es leichter ist, ein freundlicher Mensch zu sein, wenn man Spaß hat. Wir haben ein gutes Klima im Team, sind Freunde. Das ermöglicht dir, Energie für andere Dinge zu sparen." Er sei von Anfang an er selbst gewesen, und es habe funktioniert. "Wenn man versucht, jemand anderer zu sein, dann wird man vielleicht manchmal nervös. Es ist schwer, jeden Tag ein perfektes Gesicht zu zeigen, wenn man immer überlegen muss, was man sagt."

Neue Aufgaben

Just in Kitzbühel, wo er sich 2016 bei einem Sturz auf dem Hausberg eine schwere Knieverletzung zugezogen hatte, verkündete er heuer seinen Rücktritt nach der WM, ohne nach drei Siegen im Super-G seinen letzten Versuch zu starten, auch die klassische Abfahrt auf der Streif zu gewinnen. Er habe einige Tage überlegt, es sei wirklich hart gewesen, die Worte auszusprechen, auch wenn er perfekt vorbereitet gewesen sei. "Das ist der Moment, wenn es jeder weiß und man es nicht mehr zurücknehmen kann." In näherer Zukunft werde er sicher nicht in irgendeiner Funktion zurückkehren. Es sei besser, Abstand zu gewinnen. Da er durch die vielen Verletzungen in der vergangenen Saisonen viel Zeit hatte, sich mit Dingen abseits des Sports zu beschäftigen, habe er bereits einige Projekte aus den Bereichen Tech-Start-ups, Mountain-Resorts und Bekleidung am Laufen.

Die Skifahrt habe ihm viel gegeben. Es sei sehr speziell. "Weil du den Berg runterfährst, kein Feedback hast, die Zeit erst zwei Sekunden später als alle anderen realisierst, nachdem du die Ziellinie gequert hast. Sie wissen bereits, ob du gut oder schlecht warst, und sie prüfen deine Reaktion. Dann gibt es die Kollegen, die Konkurrenten, die Kameras, und alle sehen, wie du mit Erfolg und Misserfolg umgehst, welchen Respekt du vor deinen Mitstreitern hast. Du kannst nichts verbergen, nichts vorspielen, es ist mental sehr fordernd. Es geht um Freundschaft und Respekt in einer intensiven Situation. Das ist eine der wohl wertvollsten Lektionen."

Rosen zum Abschied

Mit einer Idee, wie man die vielen schweren Verletzungen im Skisport reduzieren könne, kann Svindal trotz all seiner Routine nicht dienen. "Es ist schwierig, man kann im Skisport über so viele coole Dinge sprechen, die vielen Verletzungen sind die Schattenseite. Darauf sollten wir immer achten, aber solche Sachen sind sehr schwer zu ändern."

Weggefährte Kjetil Jansrud streute seinem Freund zum Abschied Rosen: "Er ist von der Persönlichkeit einer der größten Athleten, die wir je hatten." Norwegens Cheftrainer Christian Mitter schlug in dieselbe Kerbe: "Seine beste Eigenschaft ist, dass er sein Umfeld besser macht. Als Teamkamerad ist Aksel unersetzlich." Der stets cool wirkende Svindal gestand, dass auch er manchmal nervös werde, Tränen kämen ihm allerdings kaum aus. Sollten sie dann doch kommen, wolle er sie einfach fließen lassen. (Thomas Hirner aus Åre, 8.2.2019)