In Zukunft werden mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Maschinen selbstständig über die Schlachtfelder ziehen und Städte patrouillieren.

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Eine Smartphone-App, die im Umkreis von 500 Metern Personen anzeigt, die verschuldet sind: Was nach einer Dystopie im Stil von Orwells 1984 klingt, ist in China seit dem heurigen Jahr Realität. Die staatliche China Daily bezeichnet die Erweiterung für das chinesische Whatsapp-Äquivalent WeChat mit erweiterter Funktionalität als Mittel, um "schmarotzende Schuldner" ausfindig zu machen.

Sie ist nur ein Teil mehrerer Maßnahmen des sogenannten Sozialkreditsystems, das ab 2020 für alle Chinesen gelten soll. Bereits jetzt wurden zahlreiche Aspekte implementiert. Das Land möchte mithilfe von Überwachung den idealen chinesischen Bürger erziehen und zugleich die Marktwirtschaft perfektionieren.

Soziale Isolation für Dissidenten

Die Idee dahinter: Bürger haben ein bestimmtes Ranking, dargestellt in Kreditpunkten. Wer sich nicht an das geltende Gesetz hält, verliert sie. Das geschieht bei kleineren Vergehen, etwa wenn man die Straße bei Rot überquert, oder auch bei größeren Straftaten, zum Beispiel dem Verbreiten von regierungskritischen Inhalten im Netz.

Wer ein schlechtes Ranking hat, muss mit teils schweren Konsequenzen rechnen. Er darf beispielsweise kein Zug- oder Flugticket mehr kaufen, seine Kinder dürfen keine renommierten Schulen mehr besuchen, oder er muss mehr Steuern zahlen. Zudem wird das Rating öffentlich ausgestellt, sodass "schlechte" Bürger mit sozialer Isolation rechnen müssen.

Eindeutig identifizierbare Konten

China zeigt eindrucksvoll, wie der Überwachungsstaat der Zukunft aussehen könnte – denn sie ist die zentrale Grundlage, mit der die Volksrepublik ihre Macht über die Bürger festigt. So ermöglicht eine große Firewall, dass das chinesische Internet vom Rest der Welt abgeschottet ist. Dazu kommt, dass soziale Medien streng überwacht werden.

Die Hersteller der Apps, etwa WeChat, geben die gesammelten Daten an die Regierung weiter. Gleichzeitig ersetzen die Programme nach und nach den physischen Personalausweis und machen Nutzer so eindeutig identifizierbar. Illegale Inhalte wie etwa Kritik an der Regierung werden, auch in privaten Chats, nahezu in Echtzeit gelöscht, wodurch Kritiker nie die Möglichkeit haben, ihre Botschaft zu verbreiten.

Polizeibrillen mit Kameras und Gesichtserkennung

Hinzu kommen Gesetze wie das Verbot, "Gerüchte" zu verbreiten. Dadurch ist es nicht möglich, Informationen zu teilen, die nicht von der Regierung autorisiert wurden. Zudem können User – neben der Standortinformationen ihrer Geräte – mittels der vielen Millionen Überwachungskameras auf Schritt und Tritt verfolgt werden. Sie alle verfügen über Gesichtserkennung, auch Polizisten tragen Brillen mit solchen Kameras. Verdächtige Personen werden gekennzeichnet; sobald sie entdeckt werden, werden Behörden alarmiert.

In Zukunft wird es wohl nicht mehr bloß stationäre Überwachungskameras geben. Stattdessen werden Drohnen in Städten als mechanische Wächter patrouillieren. Die Autonomie solcher Geräte wird in Zukunft gemeinsam mit ihrer Bedeutsamkeit steigen – und damit auch ihr Potenzial, zu Kriegszwecken genutzt zu werden.

Autonome Kriegswaffen

Schon heute sind ferngesteuerte, unbemannte Luftfahrzeuge nicht mehr aus dem Krieg wegzudenken. Sie werden genutzt, um Minen zu erkennen, Feinde auszuspionieren und mit Raketen auf diese zu schießen. In Zukunft werden mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Maschinen eigenständig über Schlachtfelder ziehen, Ziele erfassen und diese abschießen – und das mit einer Geschwindigkeit und Effizienz, wie sie kein menschlicher Soldat – und kein stationärer Pilot einer Drohne – je erreichen könnte.

Bereits jetzt verlagern sich Kampfzonen immer weiter in den urbanen Raum, wo Kämpfer sich leichter verstecken können. Logisch, da der Krieg den Menschen, die immer häufiger in Städte ziehen, folgt. Verlässlich zwischen Zivilbevölkerung und Soldaten unterscheiden werden die Kampfsysteme jedoch vermutlich nie. Deshalb fordern zahlreiche Forscher und Aktivisten, aber auch IT-Koryphäen aus dem Silicon Valley, ein Verbot von automatisierten Waffensystemen.

Stuxnet als Beispiel für modernen Cyberwar

Mit der steigenden Bedeutung der Maschinen kommen auch neue Aspekte der Kriegsführung dazu: Schon jetzt tobt ein Cyberkrieg zwischen einzelnen Staaten, der über Spionage und Überwachung hinausgeht. Das zeigte sich 2010, als der Computerwurm Stuxnet, eine Co-Produktion der USA und Israel, dafür sorgte, dass das Atomprogramm des Iran zum Erliegen kam. Stuxnet war eine hochentwickelte Schadsoftware, die ausschließlich Siemens-Industriesysteme in der für Atomzentrifugen typischen Konfiguration angriff.

Solche Angriffe werden in Zukunft einen der wichtigsten Aspekte der Kriegsführung darstellen. Auf diese Weise könnten Maschinen, aber auch die Stromversorgung des Feindes manipuliert werden. In der Ukraine gab es schon mehrere große Stromausfälle, die vermutlich durch staatsnahe russische Hacker ausgelöst worden sind.

Günstiger Cyberkrieg

Dementsprechend wird im Bereich "Cyberwar" massiv aufgerüstet. Dabei hilft es, dass Computer und Software günstig zu bekommen sind, während die Preise für Kampfflugzeuge und Panzer steigen.

Laut Berechnungen des österreichischen Bundesheers würde es keine zehn Millionen Euro kosten, um in Österreich zentrale Einrichtungen wie Militär, Flugsicherung, Behörden, Krankenhäuser, Strom- und Wasserversorger sowie Mobilfunker mittels Angriffen und Sabotageakten völlig lahmzulegen. Die meisten Kosten würden für Programmierer anfallen, die Schadsoftware entwickeln müssten. Und beim Heer rechnet man damit, dass ein derartiger Angriff erfolgen wird.

Lange Vorgeschichte

Die Vorgeschichte zur Cyberkriegsführung ist lange: So läutete eine gewaltige Explosion in Sibirien 1982 diese neue Ära der Kriegsführung ein. Mitten im Kalten Krieg konnte der US-Geheimdienst CIA der damaligen Sowjetunion eine absichtlich fehlerhaft programmierte Software für die Pipelinesteuerung unterjubeln.

Das Programm sorgte schließlich dafür, dass eine zentrale Gasleitung des Landes in die Luft flog. Auf einen Schlag war eine der wichtigsten Geldquellen Moskaus versiegt.