In der Demokratischen Republik Kongo versuchte Amtsinhaber Joseph Kabila, Sohn seines Vorgängers Laurent-Désiré Kabila (Statue im Bild), jüngst einen Strohmann zu installieren.

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Der Streit war nur eine Frage der Zeit. Kurz vor der Wahl im westafrikanischen Riesenstaat Nigeria setzte Präsident Muhammadu Buhari den Obersten Richter des Landes ab: Die Opposition sah darin den Versuch, die Dritte Gewalt im Fall eines Konflikts um die Wahlen gefügig zu machen. Als sich auch westliche Diplomaten kritisch äußerten, setzte ein enger Vertrauter des Präsidenten noch einen drauf: Ausländische Beobachter, die sich in Nigerias Wahlen einmischten, sollten sich darauf gefasst machen, "in Leichensäcken" nach Hause zurückzukehren.

Am Samstag können weit über 80 Millionen Nigerianer zu den Wahlurnen gehen: Obwohl es kein schicksalsträchtiger Urnengang zu werden verspricht, sind Töne wie vor einem Waffengang zu hören.

Ungeeignete Demokratie

"Demokratie ist keine gute Sache für Afrika", meint der malische Weltstarsänger Salif Keita, der zur Aristokratie seines Landes gehört: Für die Teile der Bevölkerung, die des Lesens und Schreibens unkundig sind, sei die Volksherrschaft ungeeignet. Man fühlt sich an das Diktum des kongolesischen Ex-Diktators Mobutu Sese Seko erinnert: "Kann mir jemand ein afrikanisches Dorf nennen, das von zwei Dorfältesten geleitet wird?"

Selbst mancher Politologe vertritt die Auffassung, dass Demokratie in den labilen Staaten des Kontinents mehr Schaden als Nutzen anrichte: Das Volk soll in stärker entwickelten Staaten seine Regierung bestimmen, in Afrika sei das jedoch viel zu gefährlich. Ist Afrika tatsächlich ungeeignet für die Demokratie? Oder tun Afrikas Machthaber nicht vielmehr alles dafür, den Willensentscheid ihres Wahlvolks ad absurdum zu führen?

In diesem Jahr wird die Bevölkerung in 24 afrikanischen Staaten zu den Wahlurnen gehen, in fast der Hälfte der 55 Nationen des Kontinents. Noch vor drei Jahrzehnten wäre ein solches Superwahljahr unmöglich gewesen: Damals konnte lediglich die Bevölkerung von drei Staaten Afrikas über ihre Regierung abstimmen. Heute gibt es nur noch drei Länder, in denen das Volk bei der Besetzung seiner politischen Repräsentanten nichts zu sagen hat: Doch ob tatsächlich der Wille der Wähler siegt, ist eine andere Sache. Seit nach dem Ende des Kalten Krieges aus den meisten afrikanischen Staaten Demokratien wurden, haben die Machthaber ihr Arsenal zur Manipulation der neuen Spielregeln perfektioniert: Bis die Abstimmungen in vielen Ländern zur bloßen Farce verkamen.

Wie zuletzt in der sogenannten Demokratischen Republik Kongo, wo die Opposition schon während des Wahlkampfs Ende vergangenen Jahres nach allen Regeln der Kunst benachteiligt wurde. Als auch das nicht genügte, fälschte die Wahlkommission die Ergebnisse schamlos nach dem Gusto der Regierung: Statt Oppositionschef Martin Fayulu, der nach den Erhebungen unabhängiger Beobachter eine absolute Mehrheit erhalten hatte, wurde Félix Tshisekedi auf das Siegerpodest gehievt. Ein "Tiefschlag für die Demokratie", befand der bekannte sudanesische Telekommilliardär und Gründer einer Afrikastiftung, Mo Ibrahim.

Labiles Gleichgewicht

Obwohl die Afrikanische Union über einen guten Kodex für "faire und freie" Wahlen verfügt, winkten die AU-Beobachter den Urnengang genauso durch wie ihre Kollegen vom Südafrikanischen Staatenbund SADC. Selbst die Vertreter westlicher Nationen gaben nach ein paar Unmutsbezeugungen klein bei: Man wolle die Stabilität des labilen Landes nicht mit Prinzipienreiterei gefährden, hieß es. Dabei wird die Zahl afrikanischer Staatschefs, die sich auf ähnlich umstrittene Weise an der Macht festhalten, immer größer: Äquatorialguineas Ölscheich gehört dazu – wie die Präsidenten Ugandas, Sambias, Kenias, Gabuns oder Simbabwes.

Immer mehr Machthaber suchen sich auch des Zwei-Amtszeiten-Limits zu entledigen, das die meisten Staaten des Kontinents Anfang der Neunzigerjahre in ihre Verfassung aufnahmen und das sich als wirksames Mittel gegen die Dauerherrscher erwies. Zehn Präsidenten schufen die Beschränkung bereits wieder ab – auch das, versteht sich, im Namen der Stabilität. Als ob Staaten mit vergreisten Staatschefs nicht vielmehr immer unsicherer würden.

Junge Politiker

Der Coup gelingt jedoch nicht allen. Kongos Ex-Präsident Joseph Kabila scheiterte beim Versuch, die Verfassung zu ändern, am Widerstand der Bevölkerung: Er konnte es sich auch nicht leisten, beim anschließenden Urnengang seinen Strohmann Emmanuel Shadary als Wahlsieger aus dem Ärmel zu zaubern. Man kann dem Volk heute nicht mehr zumuten, was ihm Diktator Mobutu einst zumutete: Vor allem in Städten wie Kinshasa, Goma oder Lubumbashi wachsen junge Leute heran, die sich weder als Untertanen behandeln noch als Stimmvieh missbrauchen lassen.

Sie versichern sich in Gruppen wie "Filimbi" oder "Lucha" ihrer Rechte als Staatsbürger und machen sich daran, ihre Heimat einer grundsätzlichen Revision zu unterziehen. Solche "Millenials", "Digitals" oder "in Freiheit Geborene" sind mittlerweile in fast jedem afrikanischen Land anzutreffen – auch in Nigeria, wo sie unter dem Motto "Not Too Young to Run" (nicht zu jung zum Kandidieren) das Machtmonopol der verfilzten Elite aufbrechen wollen.

"Wir sind der alten, immer gleichen Führer müde", sagt auch Samson Itodo, einer der Gründer der Kampagne: "Wir legen heute das Fundament. Und krempeln spätestens bei den nächsten Wahlen in vier Jahren alles um." (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 14.2.2019)