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Künstlerische Darstellung von Bakterien im Verdauungstrakt. Die Zusammensetzung unserer mikrobiellen Mitbewohner hat vielfältige Auswirkungen.

Foto: Picturedesk / Science Photo Library

Im menschlichen Darm leben mehr Mikroorganismen, als der gesamte Körper Zellen besitzt. Die Billionen von Bakterien, die sich dort tummeln, sind bei Weitem nicht nur für die Verdauung wichtig: Forscher finden immer mehr Hinweise darauf, wie wesentlich diese Mikroben für viele unterschiedliche Prozesse in unserem Körper sind.

Die Darmflora (korrekter ist die Bezeichnung Darmmikrobiota) prägt unser Immunsystem, kann das Körpergewicht beeinflussen und steuert die Aufnahme von Wirkstoffen aus Medikamenten. Umgekehrt formen wir die Zusammensetzung dieser Bakterien durch unseren Lebensstil, und diese Mischung scheint wiederum für Gesundheit und Wohlbefinden bedeutend zu sein.

Seit geraumer Zeit mehren sich auch die Hinweise darauf, dass die Darmbewohner einen Einfluss auf das Gehirn haben können. In welcher Weise dieses komplexe Zusammenspiel genau vonstattengeht, ist allerdings noch weitgehend ungeklärt. Forscher vermuten aber, dass sich der Stoffwechsel mancher Bakterienarten auf die Balance von Botenstoffen, sogenannten Neurotransmittern, im Gehirn auswirken könnte.

Beteiligung an psychischen Erkrankungen?

In einer kürzlich veröffentlichten Studie in "Nature Microbiology" berichteten Forscher der belgischen Universität Löwen von einer bemerkenswerten Entdeckung: Sie fanden Hinweise darauf, dass Menschen mit Depressionen bestimmte Darmbakterien fehlen. Das Team um Jeroen Raes untersuchten die Darmmikrobiota von 1054 Personen, die mit Depressionen diagnostiziert worden waren. Diese Daten wurden mit der Bakterienzusammensetzung von 1063 gesunden Probanden verglichen.

Das Ergebnis: Die Bakteriengattungen Coprococcus und Dialister fehlten bei den depressiven Studienteilnehmern fast durchgängig – ob sie Antidepressiva konsumiert hatten oder nicht. Auch gab es auffällige Übereinstimmungen zwischen der Mikrobiota der Depressionskranken und Patienten mit der Darmerkrankung Morbus Crohn, die Raes bereits in früheren Studien untersucht hatte.

Diversität im Darm

Ein kausaler Zusammenhang konnte noch nicht nachgewiesen werden, gibt der Forscher zu bedenken. "Die Vorstellung, dass Stoffwechselprodukte von Darmbakterien unser Verhalten und unsere Gefühle beeinflussen, ist faszinierend, aber die Kommunikation zwischen Mikrobiom und Gehirn wurde bisher fast nur am Tiermodell untersucht. Die Forschung am Menschen hinkt hinterher." Inzwischen ist die mikrobiologische Wissenschaft vom Darm aber alles andere als träge – immer mehr Arbeiten zum Thema werden veröffentlicht.

Nun verkündete ein Team vom Wellcome Sanger Institute in Hinxton die Entdeckung von 2000 bisher unbekannten Darmbakterien. Angesichts der schier unzählbaren Menge an Bewohnern des Verdauungstrakts mag das nicht viel erscheinen. Doch wie die Forscher in "Nature" schreiben, ist der Fund ein weiterer Teil im Puzzle der Darm-Diversität.

Geografische Unterschiede

Die Wissenschafter nutzten genetische Analysen und komplexe Berechnungsmodelle, um aus Proben von fast 12.000 Menschen Rückschlüsse auf darmbesiedelnde Bakterienarten ziehen zu können. So ließen sich auch Spuren von Mikroben finden, die nur in geringer Zahl vorkamen oder außerhalb des Darms nicht überlebensfähig sind.

Der Vergleich zwischen den Proben ergab zudem eklatante geografische Differenzen: Die neuentdeckten Bakterien waren häufig bei Menschen aus Südamerika oder Afrika zu finden, jedoch viel seltener bei Europäern und Nordamerikanern. Das Fazit der Forscher: Um ein bakterielles Gesamtbild des menschlichen Darms zu erhalten, sei es unerlässlich, Daten aus allen Regionen der Welt zu berücksichtigen. (David Rennert, 14.2.2019)