Immer mehr junge Männer entscheiden sich wieder für das Heer. Steckt dahinter ein Retro-Gesellschaftsbild vom starken Mann mit der Waffe?

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Vor der Stellungskommission in Wien-Leopoldstadt, 6.45 Uhr morgens: Fünf Burschen frieren in der Dämmerung. Trotzdem – eine schnelle Zigarette muss noch sein. Ihre Bluttests und die Urinprobe haben die jungen Männer schon gestern gemacht. Also geht das. Alle fünf sind 2001 geboren, sie feiern demnächst ihre 18. Geburtstage. Die ganze Gruppe will zum Heer, Präsenzdienst leisten – und zwar gleich. Keine Aufschiebung und sicher kein Zivi.

Warum nicht? Einer, der schon alleine wohnt, sagt, weil das Heer seine Miete bezahle.
Zwei sagen, sie werden sich gleich fix anmelden. Einer strebt nach der Grundausbildung einen Bürojob für die paar Monate in einer Wiener Kaserne an, der andere will zu den Jägern. Ein anderer aus der Gruppe will "sicher keine Kranken transportieren, und als Zivi darf man 15 Jahre lang keinen Waffenschein machen". Wieder einer will vor allem seinen Körper trainieren und hat noch keinen Plan nach der Lehre, die im Mai beendet sein sollte.

Es wird heller, die Morgenkälte bleibt. Ein paar weitere Burschen trudeln zur Stellung ein.
A. ist darunter. Er will Zivildienst machen. Gleich heute wird er das Antragsformular abgeben. Eigentlich plant er ein "freiwilliges Umweltjahr". Das dauert zehn Monate, gilt als Zivildienstersatz und bringt sogar ein paar ECTS-Punkte für das spätere Studium an der Uni für Bodenkultur. Alle haben die am Vortag ausgefassten T-Shirts mit dem Aufdruck "Schutz und Hilfe", Plastikschlapfen und eine Art kurze plastikartige Trainingshose im Rucksack. Diese Kleidung muss später, während der Stellung, drinnen getragen werden.

Das Heer wird beliebter

Mehr als die Hälfte aller für tauglich befundenen jungen Männer entscheidet sich derzeit für den Präsenzdienst. Seit circa vier Jahren gewinnt das Heer wieder an Beliebtheit. Steckt dahinter ein Retro-Gesellschaftsbild vom starken Mann mit der Waffe? Nein, sagt Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung. Verantwortlich für die steigende Beliebtheit des Heeres seien der steigende Wunsch nach Sicherheit und Berechenbarkeit in einer als unsicher empfundenen Welt.

Ansonsten sieht Ikrath die Entscheidung eher milieuspezifisch: Unter Gymnasiasten habe das Bundesheer einen schlechten Ruf. "Sie wollen etwas Sinnvolles tun, und viele Zivildiener-Jobs haben einen ganz konkreten Nutzen." In konservativeren Milieus hingegen gelte das Heer als sicherer Arbeitgeber. "Es heißt, es herrschen dort klare Strukturen und Disziplin."

Jeder Vierte untauglich

Zwei Probleme haben Zivildienstorganisationen und Bundesheer freilich gemeinsam: Wegen geburtenschwacher Jahrgänge gibt es immer weniger Rekruten, gleichzeitig eine steigende Zahl an Untauglichen. Rund jeder Vierte ist mittlerweile wegen körperlicher oder psychischer Beschwerden nicht tauglich. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil bei 14 Prozent.
Ein Raufen um die Jungen also. Für die 1700 Organisationen, die Zivildiener für ihre Arbeit brauchen, ist das ein Problem. Sie haben einen Gesamtbedarf von 16.301 Zivildienern gemeldet. Vergangenes Jahr traten aber nur 14.590 junge Männer ihren Zivildienst an. Das Österreichische Rote Kreuz ist die Organisation, die die meisten Zivildiener aufnimmt, rund 4500 pro Jahr. Für ein Viertel der Stellen ab März, April und Mai konnten keine Bewerber gefunden werden.

Das liegt wohl auch daran, dass diese Monate nicht sehr beliebt sind, um den Zivildienst anzutreten. Die meisten Ausbildungen enden im Sommer. Danach wollen Bewerber möglichst schnell den Dienst hinter sich bringen.

Die demografische Entwicklung verheißt eine Verschärfung der Problematik. Das hat auch positive Folgen. Sowohl Heer als auch Zivildienstorganisationen präsentieren sich zunehmend als attraktive Arbeitgeber: Geboten werden vielfältige Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten inklusive Begleitung auf unterschiedlichen Karrierewegen, attraktive Bezahlung winkt bei Auslandseinsätzen. (Karin Bauer, Lisa Breit, 17.2.2019)