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Heiko Maas reagiert auf Trumps Vorschlag skeptisch.

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Mutmaßliche IS-Kämpferinnen in Syrien.

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Brüssel/Washington/Wien – Die Europäische Union hat auf die Forderung von US-Präsident Donald Trump, IS-Kämpfer aus Syrien zurückzunehmen und in Europa vor Gericht zu stellen, zurückhaltend bis ablehnend reagiert. Der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák sah eine klare Notwendigkeit, eine europäische Haltung zu definieren, wie er am Montag anlässlich des EU-Außenministerrates in Brüssel erklärte.

Die Europäer müssten das Thema der IS-Kämpfer nun auf ihre Agenda setzen. Die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten sei entscheidend, und "die Spielregeln für diese Partnerschaft haben sich geändert. Wir müssen in der Lage sein, darauf zu reagieren", so Lajčák.

Brisante Trump-Drohung

US-Präsident Donald Trump hatte europäische Staaten am Wochenende aufgefordert, in Syrien gefangen genommene IS-Kämpfer aufzunehmen und vor Gericht zu stellen. Ansonsten würden sie freigelassen, drohte Trump. Allerdings sind die Kämpfer nicht in US-Gewahrsam, sondern in der Gewalt kurdischer Einheiten, die weite Landstriche im Norden Syriens kontrollieren.

Die EU-Staaten sind von der Foreign-Fighter-Problematik unterschiedlich stark betroffen.
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Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) reagierte auf Trumps Forderung zurückhaltend. Es sei in den Überlegungen jeder einzelnen Regierung, in klarer Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden zu handeln, dies gelte auch für Österreich, so Kneissl in Brüssel. "Jede einzelne Biografie" müsse klar geprüft werden. Derzeit gebe es prioritäre Fälle, etwa jener, wo es um ein zweijähriges Kind gehe, "hier greifen Überlegungen der konsularischen Schutzpflicht", meinte die Ministerin, die sich zudem für einen engeren nachrichtendienstlichen Austausch der EU-Staaten über IS-Kämpfer aussprach. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der am Mittwoch von Trump im Weißen Haus empfangen wird, verwies in der Frage auf das Außenamt.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte, dass sie Trumps Aufforderung so verstehe, dass sich der Appell an die einzelnen EU-Mitgliedstaaten – und nicht an die EU – richte.

EU-Staaten skeptisch

Mehrere EU-Staaten erteilten der Forderung Trumps jedenfalls postwendend eine Absage. "Es handelt sich um einige der gefährlichsten Menschen der Welt, und wir sollten sie nicht zurücknehmen", sagte ein Sprecher des dänischen Premiers Lars Lökke Rasmussen. Den Jihadisten solle dort der Prozess gemacht werden, wo sie ihre Verbrechen begangen hätten, so auch ein Sprecher der britischen Premierministerin Theresa May.

Auch Frankreich will keine IS-Kämpfer aus Syrien zurücknehmen. "Wir ändern unsere Politik derzeit nicht", betonte Justizministerin Nicole Belloubet. Frankreich hat die Einreise von IS-Kämpfern und ihren Frauen bisher strikt abgelehnt, Paris stuft diese als "Feinde" Frankreichs ein. Ausnahmen gab es in Einzelfällen für Minderjährige.

Deutschland hält die Forderung der USA für "außerordentlich schwierig zu realisieren". Eine Rückkehr sei nur möglich, "wenn sichergestellt ist, dass diese Menschen hier sofort auch einem Verfahren vor Gericht zugeführt werden", meinte Außenminister Heiko Maas. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte, eine Strafverfolgung müsse unbedingt gewährleistet sein. Die Situation sei nun "extrem schwierig".

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte die USA allgemein vor einem völligen Bruch mit Europa. In einer Partnerschaft könne es keine "Befehlsgeber und Befehlsempfänger" geben, sagte Asselborn am Montag. "Sonst zerbricht die Partnerschaft."

Knapp 100 österreichische Foreign Fighters

Aus Österreich halten sich derzeit knapp 100 "Foreign Fighters" in Kriegsgebieten auf. Rund 30 Prozent davon besitzen auch die österreichische Staatsbürgerschaft, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) am Montag auf APA-Anfrage mitteilte. Darunter auch eine junge Frau aus Wien, die vor vier Jahren von Wien nach Syrien ausreiste, um sich dem IS anzuschließen. Momentan befindet sich die Frau mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn in kurdischer Haft und will zurück nach Österreich. Ein Sprecher des Außenamtes bestätigte den Fall gegenüber der APA und betonte, dass derzeit die "praktischen Möglichkeiten einer Rückholung" geprüft würden.

Grundsätzlich ist Österreich rechtlich verpflichtet, österreichische Staatsbürger zurückzunehmen. Allerdings: Sobald jemand in den Militärdienst eines fremden Landes eintritt, verliert er die österreichische Staatsbürgerschaft und somit den konsularischen Schutz. Würde die Person mit Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft jedoch staatenlos werden, kann sie laut Gesetz auch nicht aberkannt werden.

Ein hochrangiger Vertreter der syrischen Kurden, Abdulkarim Omar, nannte die Gefangenen eine große Bürde. Ihr Zahl steige schnell. Die Häftlinge seien "Zeitbomben". Zugleich appellierte Omar an die Heimatstaaten, sich für ihre Staatsbürger verantwortlich zu zeigen.

Truppen unter kurdischer Führung hatten in den vergangenen Monaten große Teile des früheren Herrschaftsgebietes der Terrormiliz IS in Syrien unter Kontrolle gebracht. Derzeit gehen sie gegen die letzte IS-Bastion im Osten des Bürgerkriegslandes vor. Dort sollen sich auch noch Ausländer verschanzen. Allerdings sollen auch Hunderte IS-Anhänger in den Irak geflohen sein. (APA, 18.2.2019)