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Die Briten finden sich in einer Brexit-Sackgasse wieder.

Foto: AP Photo/Kirsty Wigglesworth

Gegen die Aufsplitterung des britischen Parteiensystems gibt es ein gewichtiges Argument: das Mehrheitswahlrecht. Schon jungen Aktivisten und Politologiestudenten wird eingehämmert: Auf der Insel gewinnt man Wahlen in der Mitte der Gesellschaft. Kleine Gruppierungen haben gegen die beiden großen Blöcke – die Konservativen und die Arbeiterpartei – selten eine Chance. Zum Ausgleich ist in Kabinett und Schattenkabinett dafür meist ein breites Spektrum von Meinungen vertreten.

Dass nun gleich sieben Labour-Abgeordnete das Abenteuer der Abspaltung wagen, stellt der Parteiführung um Jeremy Corbyn kein gutes Zeugnis aus. Zu sehr haben die Ideologen um den 69-jährigen Altlinken die mehr zur politischen Mitte hin orientierten Abgeordneten marginalisiert; zu wenig haben sie getan gegen den abscheulichen Antisemitismus fanatisierter Randgruppen; zu zögerlich sind sie jenen Aktivisten entgegengetreten, die bewährte Mandatsträger aus Gründen der ideologischen Reinheit in die Wüste schicken wollen.

Hinzu kommt das peinliche Lavieren in der Brexit-Diskussion. Ausgerechnet Corbyn, der langjährige Fürsprecher innerparteilicher Demokratie, stellt sich quer zu seiner überwältigend proeuropäischen Partei und redet dem EU-Austritt das Wort. Schon im Referendumskampf verweigerte sich der langjährige Skeptiker europäischer Integration der Parteilinie und trat nur extrem zögerlich für den EU-Verbleib ein – ein wichtiger Grund dafür, dass sich die Briten in der Brexit-Sackgasse wiederfinden.

Rebellengruppe

Für die aktuelle Abspaltung gab es 1981 einen Präzedenzfall: Es ging um Europa, es ging um Abtrünnige der Labour-Party. Die berühmte "Viererbande" umfasste gestandene Ex-Kabinettsmitglieder, darunter ein früherer Finanz- und ein Außenminister. Binnen kurzer Zeit folgten ihnen mehr als zwei Dutzend Abgeordnete – darunter auch ein Konservativer – in die Sozialdemokratische Partei (SDP). Geldgeber fanden sich rasch. Bei der darauffolgenden Wahl 1983 gewann das Wahlbündnis aus SDP und Liberalen zwar viele Stimmen, aber kaum Mandate.

Auch diesmal winkt der Rebellengruppe viel Geld von all jenen, die noch vor einem Jahrzehnt die Labour-Party der Premierminister Tony Blair und Gordon Brown unterstützt haben. Aber das Septett von heute besteht aus eher Unbekannten; administrative Erfahrung hat keiner, ihre Chancen auf Verteidigung ihres Unterhausmandates gehen gegen null.

Sympathisanten einer Partei der Mitte gibt es auch bei den Tories. Sollten sie nun den Labour-Rebellen folgen, ergäbe sich sofort ein neues Problem: Die Tory-Zentristen sind entweder Ex-Ministerinnen, Ex-Staatssekretäre oder gestandene Ausschussvorsitzende – mit entsprechend prominentem öffentlichen Profil. Chuka Umunna, dem ehrgeizigen Möchtegern-Chef der Unabhängigen, würden sie sich gewiss nicht unterordnen.

Wieder einmal beweist sich ein Grundsatz britischer Politik: Während sich die Linke spaltet, wahrt die Rechte um des Machterhalts willen eiserne Disziplin. Allerdings stehen auch bei den Tories die Zeichen auf Sturm. Die konservativen Brexit-Ultras agieren wie eine leninistische Gruppierung innerhalb ihrer Partei und richten damit das Land zugrunde. Je länger Premierministerin Theresa May dem Treiben zuschaut, desto schwieriger wird die Position für die Abgeordneten vom liberal-konservativen Parteiflügel. (Sebastian Borger, 18.2.2019)