Die MA 48 testet derzeit vier Abbiegesysteme. Mit keinem ist sie vollends zufrieden.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Schon jetzt fährt die MA 48 mit sieben statt mit sechs Spiegeln...

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... und mit Rückfahrkameras, die immer einen Blick hinter das Fahrzeug bieten.

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Es piepst. Der Lkw-Abbiegeassistent schlägt Alarm. Ein sehr buschiger Strauch ist in dem Bereich aufgetaucht, den die Ultraschallsensoren an der Seite des Müllautos abdecken. Das akustische Signal des Kamerasystems, das die Magistratsabteilung 48 als eines von vier aktuell prüft, geht los, sobald sich etwas im toten Winkel des Fahrzeugs befindet.

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Zumindest sollte es das. Oft genug passiert es bei der Testfahrt, dass Fußgänger auf dem Gehsteig an dem orangen Lkw vorbeigehen, der Fahrer den Blinker setzt, um den Assistenten zu demonstrieren, und es ruhig bleibt. Einen Unterschied zwischen Fußgängern, Pflanzen und Mistkübeln macht das System nicht.

Mit keinem der Produkte, die entweder mit Sensoren oder einer Bilderkennungssoftware arbeiten und alle mit akustischen oder optischen Signalen und einem Bildschirm in der Fahrerkabine ausgestattet sind, sind die 48er derzeit restlos glücklich. Schon jetzt ist das gesamte direkte Umfeld des Fahrzeugs für die Lenker der 300 Müllautos einsehbar. Neben sieben Spiegeln – einem mehr als vorgeschrieben – geben eine Rückfahrkamera und Systeme, die dem Schutz der auf dem hinteren Trittbrett stehenden Mitarbeiter dienen, Hilfe bei der Sicht.

Weitere Tests

Daher will die Stadt Wien weitere Systeme testen – und zwar, bis sie ein passendes gefunden hat. "Wir werden mit Hochdruck weitertesten und so schnell wie möglich unsere Flotte nachrüsten", betonte Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Wann das der Fall ist, dar auf wollte sich Sima nicht festlegen. Die 3000 Euro, mit denen die MA 48 pro Assistent rechnet, würden bei den Kosten eines Fahrzeugs von rund 200.000 Euro nicht ins Gewicht fallen, sagte MA-48-Chef Josef Thon.

Sima geht davon aus, dass der von FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer einberufene Lkw-Gipfel Druck auf die Hersteller macht, sodass schnell neue Produkte auf den Markt kommen werden. Was der MA 48 abgeht, ist eine bundesweite Norm, was ein Assistent können muss.

In dem Ergebnis der Müllabfuhr sieht die Wiener FPÖ eine Bestätigung des Gipfel-Ergebnisses. Es dürfe zu keinen "Husch-pfusch-Aktionen" kommen, reagierten sie per Aussendung. Sie wollen "eine europarechtlich haltbare" und "technisch ausgereifte Lösung".

Keine bundesweite Nachrüstung

Hofer hatte sich am Dienstag gegen eine verpflichtende Nachrüstung der Lkws ausgesprochen. Stattdessen will der Verkehrsminister an der Infrastruktur der Gemeinden ansetzen. Gefährliche Kreuzungen sollen entschärft werden, kündigte Hofer an. Dafür sollen etwa Zebrastreifen verlegt, Ampelschaltungen neu geregelt oder zusätzliche Trixi-Spiegel in Gefahrenzonen angebracht werden. Eine Änderung der Straßenverkehrsordnung soll Gemeinden ermöglichen, Rechtsabbiegeverbote für Lkws auszusprechen.

Für den Verkehrsexperten Ullrich Leth von der TU Wien wäre die Einführung Lkw-seitiger Maßnahmen "vielfach wirkungsvoller als punktuelle Maßnahmen". Die Infrastrukturänderungen würden das Problem nicht lösen, resümierte Helge Fahrnberger nach dem Gipfel. Für die beiden Mitinitiatoren der Petition für eine verpflichtende Nachrüstung der Lkws mit Assistenten geht das Problem "nicht von der Straße, sondern vom Lkw aus", sagte Fahrnberger.

Opposition macht mobil

Kritik hagelte es von der Opposition. Die Liste Jetzt stellte eine Anfrage über die "Hintergründe der unverständlichen Ablehnung des Abbiegeassistenten". Hofer experimentiere "ständig mit der Verkehrssicherheit", so Peter Pilz.

Als "einzige Enttäuschung" bezeichnete der stellvertretende rote Klubsprecher Jörg Leichtfried das Ergebnis. Die geplanten Spiegel hätten "nie die gleiche Wirkung". Wie "unverantwortlich" die FPÖ-Verkehrspolitik sei, zeige laut SPÖ auch das Einführen von Rechtsabbiegen bei Rot: "Hofer redet plötzlich über Abbiegeverbote, obwohl die Regierungsfraktionen letzte Woche noch das Rechtsabbiegen bei Rot beschlossen haben." Im Parlament führt die SPÖ Gespräche für einen gemeinsamen Antrag der Opposition zur verpflichtenden Umrüstung von Lkws. Einbringen will Leichtfried den Entschließungsantrag bei der Plenarsitzung kommende Woche.

Die Gewerkschaft Vida forderte wiederum den Einsatz von ortskundigen Beifahrern als Übergangslösung, bis ein passendes System gefunden wird. "Sie könnten im direkten Sichtkontakt den toten Winkel überblicken", sagte Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida.