Der Klimawandel sorgt schon heute dafür, dass wir Weine aus Estland und Finnland genießen können. In absehbarer Zeit wird es in vielen europäischen Südlagen zu heiß für manche Rebsorten sein, der Weinbau wird sich vermehrt gen Norden und in höhere Lagen orientieren. Auf Kreta beispielsweise erreichen Weißweinsorten schon heute nicht mehr die geforderte Qualität.
Abhilfe könnte die Datenrevolution schaffen – indem sie dazu beiträgt, den Wein von morgen zu verbessern und sein Überleben zu garantieren. Das sich verändernde Klima beeinflusst langfristig das, was Weinbauern Terroir nennen – die Gesamtheit der natürlichen und kulturellen Faktoren wie Rebe, Boden oder Klima. Also das, was einen Wein zu dem macht, was er ist, ihm seinen Charakter verleiht.
So wie Winzer durch ihre Erfahrung auf solche Veränderungen reagieren, adaptiert sich auch die Rebe. Die von Weinbauern getroffenen Maßnahmen sind aber nicht perfekt – weil bestimmte Informationen und Daten bislang fehlen. Das griechische Projekt BigDataGrapes will Winzern Daten als Grundlage für ihre Entscheidungen liefern und so den Weinanbau nachhaltiger machen.
In Pilotprojekten in Italien, Frankreich und Griechenland werden Satellitenbilder und Wetterdaten ausgewertet, sensorische Bodendaten und Analysen von Versorgungsketten und Finanzdaten gesammelt, um so ein umfassendes Bild der Herausforderungen zu zeichnen, mit denen die Rebsorten je nach Standort zu kämpfen haben – seien es Frostnächte, erhöhte Durchschnittstemperaturen oder trockene Böden. Ein Winzer kann sich so besser auf drohende Gefahren einstellen und für die Region resistentere, nachhaltigere, qualitativ hochwertigere und damit wirtschaftlichere Sorten anbauen. Je mehr Winzer sich künftig beteiligen, desto größer das Datenreservoir, desto exakter die Empfehlungen.
Österreichische Skepsis
Heimische Winzer haben den Handlungsbedarf aufgrund des Klimawandels definitiv erkannt, ist Ferdinand Regner vom Bundesamt für Wein- und Obstbau überzeugt. "Bislang reagiert darauf aber jeder individuell." Auch künftig werden Winzer Neuem wohl skeptisch gegenüberstehen, glaubt Regner. Genau wie die Endkunden meist einer präferierten Rebsorte treu bleiben, ohne auf die Qualität zu achten. So sind rund die Hälfte der in Österreich produzierten Weißweine Grüne Veltliner. Zweigelt stellt knapp vier von zehn Roten, obwohl das Bundesgesetz 40 Rebsorten zur Produktion von Qualitätsweinen erlaubt.
Die Experten und Software-Developern von BigDataGrapes wollen niemanden bevormunden. Ihnen geht es um eine userfreundliche Unterstützung der Winzer mittels einfacher Aufbereitung komplexer und umfangreicher Daten in interaktiven Statistiken, Grafiken und Karten – für besseren und vor allem auch nachhaltigeren Wein.
Bessere Entscheidungen
Neben BigDataGrapes existiert mit Foodakai ein weiteres spannendes Agroknow-Projekt, das mit praktischen Anwendungsmöglichkeiten eine nachhaltigere und wirtschaftlichere Lebensmittelverarbeitung garantieren soll. Interessierte Hersteller können sich mit Foodakai eine große Menge an inhaltlich übersichtlich aufbereiteten Daten und Statistiken ausspielen lassen. Damit lässt sich erkennen, für welche Zutaten ihres Produktes die Bedingungen der Region nicht ideal sind.
Ein Beispiel: Ich fasse den Entschluss, in Tirol einen Apfel-Kiwi-Zwetschken-Smoothie aus regionalem Anbau auf den Markt zu bringen. Davor kann ich mittels der Parameter herausfinden, wie es in den vergangenen Jahren um diese Fruchtsorten bestellt war, welche Pestizide die verschiedenen Gewächse bedrohten, ob es im Schnitt genügend Sonnen- und Feuchttage gab und ob die monatliche Durchschnittstemperatur für die notwendigen Reifeprozesse ausreicht. (Fabian Sommavilla, 22.2.2019)