Wien – Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) will keine gefangenen Mitglieder der Gruppe "Islamischer Staat" (IS) mit österreichischer Staatsbürgerschaft zurück ins Land holen. "Es ist unakzeptabel, diese tickenden Zeitbomben aufzunehmen. Wir haben selbst schon viele derartige Problemfälle im Land", so Kickl in der "Kronen Zeitung" (Sonntag-Ausgabe).

Das gelte auch für die Frauen der Extremisten: "Die vorne hätten nicht so lange Zeit Köpfe abschneiden können, wenn nicht hinten wer für sie gekocht hätte."

Tribunale

Laut Kickl, der sich auf Experten-Analysen beruft, könnten "30 bis 60 Personen aus der Kriegsregion auch zurück nach Österreich reisen wollen". Diese seien "dort freiwillig hingefahren, kämpfen dann monatelang für eine Terrororganisation, werden angeschossen – und wollen dann zurück in das Gesundheitssystem eines Staates, den sie zerstören wollen."

Kickl spricht sich für Prozesse in der Region aus: "Es muss in der Region Tribunale geben, mit Einbindung von UNO und EU." Das solle garantieren, dass es zu keinen Todesstrafen kommt. "Es ist sinnvoll, das gebündelt zu machen, wir haben vor Ort das Wissen der Zeugen und alle Battlefield-Informationen, die für diese Strafprozesse nötig sind", so der Innenminister.

Kneissl hält Idee für interessant

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sieht noch offene Fragen. Vor allem müsse geklärt werden, "wie wir uns an einem solchen Tribunal beteiligen würden", erklärte Kneissl am Sonntag in Bhutan.

Sie halte die Idee für interessant, erklärte Kneissl im Gespräch mit österreichischen Journalisten in der Hauptstadt Thimphu. "Wir haben in der Vergangenheit schon solche internationalen Straftribunale gehabt, aber immer unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit", sagte die Außenministerin und nannte als Beispiele die Gerichtshöfe "für das ehemalige Jugoslawien und Sierra Leone".

"Wenn man so einen Vorschlag macht, muss man aber mitdenken, wie wir uns beteiligen", forderte die Außenministerin. "Finanziell haben wir das immer gemacht, aber auch mit dem Zurverfügungstellen von erfahrenen Richtern, Staatsanwälten, Justizwache und Polizisten." Es gelte also zu kalkulieren, "was alles an Kapazitäten erforderlich ist".

Prinzipiell müsste "man sich das Mandat eines solchen Tribunals ansehen", so Kneissl. Meist würde ein solches Mandat durch einen UNO-Sicherheitsratsbeschluss geschaffen. Es gebe zwar auch den Internationalen Strafgerichtshof, erinnerte die Ministerin. "Er hat seine Bedeutung." Sie bezweifle aber, dass er beispielsweise in Syrien "ein Mandat bekommt". Zudem stelle sich die Frage, in welchem Umfang die syrischen Behörden mitarbeiten würden.

Kurz will "keine Schnellschüsse"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte, dass die Sicherheit der Bevölkerung vorgehe. Es handle sich um ein "komplexes Thema", bei dem es "sicher keine Schnellschüsse" geben werde: "Wir sind da sehr zurückhaltend, was die Rücknahme dieser Personen betrifft", sagte Kurz auf Facebook.

"Wir sind den Amerikanern und auch anderen Staaten dankbar, dass sie erfolgreich gegen den IS ankämpfen", so der Bundeskanzler. Österreich habe dazu "weder die rechtlichen noch die tatsächlichen Mittel", und es gebühre sich, "denen zu danken, die hier Soldaten in den Kampfeinsatz schicken, die eigenen Männer gefährden, dafür, dass wir alle ein Stück weit mehr an Sicherheit haben". Die Rücknahme von IS-Kämpfern sei jedoch "ein sensibles Thema": "Die Sicherheit in Österreich ist für uns zentral, und insofern werden wir das sehr genau prüfen."

Seiner Einschätzung nach gebe es "nur sehr, sehr wenige Fälle, und wenn es konkrete Fälle gibt, werden wir die prüfen. Da ist wahrscheinlich dann ein Unterschied zu machen, ob das eine Frau mit einem kleinen Kind ist, wie einer der bekannten Fälle, oder Menschen, die dort vielleicht zahlreiche Leute abgeschlachtet haben. Aber das ist ein komplexes Thema, da wird es sicher keine Schnellschüsse von unserer Seite geben", fügte Kurz hinzu.

100 Kämpfer aus Österreich

Aus Österreich befinden sich derzeit rund 100 Kämpfer in Syrien und dem Irak, rund 30 Prozent davon besitzen laut Innenministerium die österreichische Staatsbürgerschaft. Grundsätzlich ist Österreich rechtlich verpflichtet, seine Staatsbürger zurückzunehmen. Ähnlich wie in Großbritannien darf die Staatsbürgerschaft nicht aberkannt werden, wenn die Person damit staatenlos werden würde.

Bisher gibt es nach Aussagen des Außenamtes in Österreich einen bekannten Fall. Es handelt sich dabei um eine junge Wienerin und ihren eineinhalbjährigen Sohn, die sich derzeit in kurdischer Haft befindet, aber ausreisen möchte.

Internationaler Haftbefehl

Kneissl sagte am Samstag vor dem Abflug von Nepal nach Bhutan gegenüber der APA dazu: "Wir sind mit dem Internationalen Roten Kreuz schon lange in Kontakt, um zu regeln, dass wir das Kind nach Hause holen können." Es gehe vordringlich um das Kindeswohl.

"Das Kind würde dann in Wien der Kindeswohlfahrt übergeben werden", erklärte die Ministerin. "Wenn die Mutter nicht will, dass ihr Kind alleine nach Wien kommt, dann müssen wir die Sachen noch neu abklären." Es gebe einen internationalen Haftbefehl gegen die Frau, die damit rechnen müsse, am Flughafen Wien Schwechat sofort verhaftet zu werden. Das Kind würde auch in diesem Fall der Kindeswohlfahrt übergeben werden, so Kneissl. "Wenn sie beschließt, lieber dortzubleiben, dann können wir nichts tun." (APA, 23.2.2019)