Manch Bürger ist schon lange unsicher, wo heute noch geraucht werden darf: Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) kippte die Regelung seiner Vorgänger und rauchte dann verbotenerweise in einem Festzelt.

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Höchstrichter tagen zu heiklen Themen: (v. li.) VfGH-Vizepräsident Christoph Grabenwarter, Präsidentin Brigitte Bierlein und Richter Wolfgang Brandstetter.

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Darüber, wo Tschicks noch geraucht werden dürfen und wo nicht, herrscht in der österreichischen Innenpolitik seit Jahren Uneinigkeit. Der Verfassungsgerichtshof (VfGh) könnte die Diskussion nun weiter anfachen – oder ein für alle Mal beenden. In seiner aktuellen Session, sie begann am Montag, berät er unter anderem den Nichtraucherschutz – nicht zum ersten Mal, er hatte dazu im Dezember bereits eine mündliche Verhandlung durchgeführt, diese aber vertagt. Offen ist also nach wie vor, ob die Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie verfassungskonform ist. Die Wiener Landesregierung, zwei Gastronomiebetriebe und zwei Nichtraucher – Vater und Tochter – hatten sich an das Höchstgericht gewandt, weil sie ihre Grundrechte verletzt sehen.

Dem STANDARD wurde von Insidern bestätigt, dass der Vorschlag des zuständigen Fachreferenten im Verfassungsgerichtshof der Argumentation der Anfechtung folgt. Der Referentenentwurf wird nun von den Verfassungsrichtern diskutiert werden. Die Dauer der Beratung ist, so ein VfGh-Sprecher, offen, die Session sei für drei Wochen anberaumt.

Raum für Interpretationen

Rechtswissenschafter Bernd-Christian Funk beriet die rot-grüne Wiener Stadtregierung bei ihrer Anfechtung. Er sagt: "Sie beinhaltet Argumente des Arbeitnehmerschutzes, des Jugendschutzes, des Gleichheitsschutzes, des Schutzes von Investitionen und des Vertrauensschutzes." Letzteres zielt darauf ab, dass ein bereits in Kraft getretenes Gesetz im letzten Moment geändert wurde: Die aktuelle ÖVP-FPÖ-Regierung hatte das eigentlich ab dem 1. Mai 2018 geltende und von der vorherigen SPÖ-ÖVP-Regierung beschlossene Rauchverbot in der Gastronomie rückgängig gemacht. Seither darf unter bestimmten Voraussetzungen in Lokalen weitergeraucht werden.

Selbst wenn ein Referentenentwurf vorliegt, der Funk folgt: Juristen sind uneins, ob der Gesetzesprüfungsantrag rechtlich hält. Gerhard Muzak vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien betont, dass eine Argumentation mit dem Gleichheitsgrundsatz Interpretationsspielraum offenlässt. "Darüber, ob etwas gleich ist, kann man in vielen Fällen unterschiedlicher Meinung sein", sagt er, "die Frage ist auch, wie viel Gestaltungsspielraum das Höchstgericht dem Gesetzgeber zugesteht."

Verfassungsjurist Theo Öhlinger sagt, es wäre ein "Fehlurteil", wenn dem Antrag stattgegeben werden würde: "Das ist eine Frage der Politik, nicht eine Frage der Verfassung." Er hält eine Aufhebung für juristisch nicht möglich, auch wenn er selbst das Nichtrauchervolksbegehren unterzeichnet hat. Aber: "Die Möglichkeit, dass ein Gericht falsch entscheidet, besteht immer."

Peinlicher Ausschuss

Immerhin unterzeichneten knapp 900.000 Menschen im Vorjahr das Nichtrauchervolksbegehren, das ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie forderte. ÖVP und FPÖ lehnten eine Volksabstimmung ab, obwohl sie sich gern als Fürsprecher der direkten Demokratie inszenieren. Das Begehren wurde dem Gesundheitsausschuss zugewiesen. Zwei Expertenhearings waren geplant, der erste Termin fand Dienstagvormittag statt, allerdings ohne ÖVP-Gesundheitssprecherin Gabriela Schwarz. Auch Josef Smolle, ehemaliger Rektor der Meduni Graz und heute für die ÖVP im Nationalrat, fehlte – nicht zum ersten Mal, wenn es um Nichtraucherschutz geht. Der Arzt plädierte für ein Rauchverbot, da es aber nicht der Regierungslinie entsprach, verließ er den Saal bei der Abstimmung im vergangenen Frühjahr.

Namhafte Experten, Wissenschafter und auch der Mitinitiator des Volksbegehrens, Paul Sevelda, strichen beim Hearing die Gefahren des Tabakkonsums hervor, für Raucher und Passivraucher. Das missfiel dem blauen Abgeordneten Peter Wurm, der die Zahlen der Experten anzweifelte: "Ich traue nur jener Statistik, die ich selbst gefälscht habe." Für Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker war das aber zu viel. Der pinke Abgeordnete entschuldigte sich bei den geladenen Wissenschaftern, dass sie sich Derartiges anhören müssten. "Ich geniere mich. Das ist peinlich für das österreichische Parlament."

Als Experten lud die FPÖ übrigens Mario Pulker, Obmann der Sparte Gastronomie in der Wirtschaftskammer. (Marie-Theres Egyed, Gabriele Scherndl, 26.2.2019)