Außenminister Javad Zarif, Architekt des Atomdeals.

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Auch in einer social-media-besessenen Welt ist der Rücktritt eines Außenministers per Instagram eher ungewöhnlich, zumal eines iranischen: Mohammed Javad Zarif entschuldigte sich am Montagabend auf diesem Weg bei dem "lieben und ehrenwerten iranischen Volk" für die Unzulänglichkeiten seiner Amtsführung und bedauerte, nicht mehr im Dienst bleiben zu können. Regierungschef Hassan Rohani, der den versierten Diplomaten 2013 ins Außenministerium geholt hatte, sowie der religiöse Führer Ali Khamenei dürften vom Schritt Zarifs völlig überrascht worden sein.

Zarif soll hinter den Kulissen oft mit seinem Rücktritt gedroht haben, nun preschte er direkt in die Öffentlichkeit vor. Israels Premier Benjamin Netanjahu teilte seine getwitterte Freude, ihn loszuwerden ("good riddance"), mit iranischen Hardlinern: "Mach die Tür hinter dir zu, Yankee, geh, und komm nie mehr wieder", lautete eine Reaktion.

Allerdings war da noch gar nicht sicher, ob Rohani den Rücktritt annehmen würde, beziehungsweise wie Khameini dazu steht. 150 Parlamentarier schrieben Zarif einen Brief, um ihn zum Bleiben zu überreden. Und das war dann auch Rohanis Wunsch, der mit Zarif den Architekten des Atomdeals und eines Politikansatzes der strategischen Zurückhaltung verlieren würde – die ja auch der Grund ist, warum die Hardliner Zarif so hassen. Am Dienstagabend war es dann offiziell, dass der Rücktritt nicht angenommen wird.

Rätseln über Anlass

In Rohanis Namen meldete sich bereits zuvor dessen Kabinettschef Mahmud Vaezi – der selbst als möglicher Nachfolger Zarifs gehandelt wird –, überschüttete Zarif mit Lob und merkte an, dass der Iran nur einen Außenminister und nur eine Außenpolitik habe. Das bezieht sich auf Äußerungen Zarifs in einem Interview mit der Zeitung "Jomhuri-e Eslami", in dem er von Grabenkämpfen gesprochen habe, die "tödliches Gift" für die iranische Außenpolitik seien.

Über den unmittelbaren Anlass für Zarifs Schritt wurde gerätselt, Gründe gibt es genug. Das Onlinemedium "Entekhab" zitierte Zarif mit den Worten, er habe "keine Glaubwürdigkeit in der Welt", nachdem er beim Treffen Khameneis mit Syriens Präsident Bashar al-Assad nicht zugegen gewesen war. Der erste Iran-Besuch Assads seit Ausbruch des Kriegs in Syrien ging offenbar völlig am Außenministerium vorbei. Dafür wurde es von Ghassem Soleimani besucht, dem Kommandanten der Al-Quds-Einheit der Revolutionsgarden, der für eine iranische Einflusspolitik in der Region steht.

In einem späteren Statement schrieb Zarif, dass er den "Status des Außenministeriums für entscheidend für den Erhalt der nationalen Sicherheit des Iran" halte. Das weist auf schwerwiegende interne Auffassungsunterschiede bei politischen Entscheidungen im Iran hin, bei denen Zarif als Außenminister wohl einfach übergangen werden sollte.

Zukunft des Atomdeals

Da liegt der Gedanke an die Zukunft des JCPOA nahe (so heißt der Atomdeal offiziell: Joint Comprehensive Plan of Action). Die Hardliner, die den Deal aufgeben wollen, mit dem das iranische Urananreicherungsprogramm beschränkt wird, gewinnen an Boden. Denn nach dem Austritt der USA lohnt er sich für den Iran wirtschaftlich immer weniger.

Ein anderer Punkt, wo Zarif für eine international konstruktivere Linie eingetreten war, ist FATF, die Financial Action Task Force. Der Iran hat soeben eine Frist verstreichen lassen, bis zu der er seine Finanzgesetzgebung in Einklang mit internationalen Terrorismusbekämpfungsnormen bringen sollte. Die Regierung Rohani hat nur zwei Gesetzesänderungen von vier gegen die Hardliner durchgesetzt – die um die Möglichkeit fürchten, die von den USA als Terrorgruppe gelistete libanesische Hisbollah weiter finanzieren zu können.

Und es ist wohl genau dieses Gesamtpaket, das Zarif dazu bringt, die Flinte ins Korn zu werfen: Mit dem Ende des Krieges in Syrien stehen wichtige Entscheidungen an, bei denen Teheran auch nicht im Gleichklang mit Moskau ist – wo Netanjahu am Mittwoch mit Präsident Wladimir Putin unter anderem die iranische Rolle bespricht. Zarif vertritt jene Fraktion, die, wie er meint, im iranischen Interesse die Spannungen reduzieren will. Und wenn diese Fraktion keine Stimme mehr hat, dann will Zarif offenbar nicht mehr so tun als ob. (Gudrun Harrer, 26.2.2019)