Die SPÖ steht wieder einmal ganz gewaltig auf der Seife, die die Regierung für sie hergerichtet hat. Viele Sozialdemokraten sind angesichts des Zynismus, mit dem sich Mitglieder der Regierung, insbesondere aber deren Innenminister Herbert Kickl, an den Flüchtlingen als Feindbild abarbeiten, beunruhigt. Dass jetzt daran gedacht wird, eine Art Präventivhaft einzuführen, lässt bei vielen die Alarmglocken schrillen. Sie erinnern an Bruno Kreisky, der von den Nationalsozialisten in Haft genommen worden ist, und an andere Sozialdemokraten oder Linke, die in der Zeit des Nationalsozialismus in "Schutzhaft" genommen worden sind, weil sie Regimegegner waren. Es reichte der Verdacht.

Dass Sicherungs- und Schutzhaft semantisch nicht weit auseinanderliegen, könne doch kein Zufall sein.

Und wer soll denn über die Verhängung dieser Sicherungshaft entscheiden? Kickls Mannen? Wer legt die Kriterien fürs Einsperren fest? Und wer liefert die Informationen? Der Nachbar, der etwas gehört hat? Wenn eine solche Haft erst einmal eingeführt ist, ließen sich die Grenzen leicht verschieben.

Was macht die offizielle SPÖ? Ist sie schockiert, empört, fordert sie Kickls Rücktritt, zieht sie rote Linien? Bis hierher und nicht weiter?

Nein, die SPÖ greift ernsthaft den Vorschlag auf. Hochrangige Funktionäre der Sozialdemokratie können Kickls Vorstoß etwas abgewinnen. Burgenlands Hans Peter Doskozil geht noch einen Schritt weiter: Er findet, diese Form der Präventivhaft sollte nicht nur auf Flüchtlinge, die als gefährlich gelten, angewandt werden, die ließe sich doch auch auf Inländer ausweiten. Das könnte dann Tierschützer, Hooligans oder wild gewordene Ehemänner betreffen. Auch streikende Arbeiter?

Andere Mandatsträger in der SPÖ finden das abwägenswert. Da sollte man in Ruhe drüber reden. Sagt etwa Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.

Konfliktvermeidung

Was ist denn in diese Partei gefahren? Warum gibt es da keinen Aufschrei? Warum weist niemand den Innenminister in die Schranken oder versucht es wenigstens? Fällt denn niemandem, der in dieser Partei etwas zu sagen hat, auf, was es bedeuten kann, Menschen auf bloße Mutmaßungen hin in Haft zu nehmen? Und wo das hinführen kann? Das ist ein höchst sensibler und gefährlicher Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte. In jedem Zusammenhang. Aber erst recht, wenn ein Zyniker wie Herbert Kickl Innenminister ist und über dieses Instrumentarium walten soll.

Damit sind wir bei Pamela Rendi-Wagner, auf dem Papier Vorsitzende der SPÖ. Ihr ist, das kann man annehmen, sehr wohl bewusst, wie sensibel dieser Eingriff in den Rechtsstaat ist. Man kann auch annehmen, dass sie dagegen ist. Genau weiß man es nicht. Sie entzieht sich dieser Diskussion.

Rendi-Wagner, so muss man annehmen, verfügt in ihrer Partei nicht über die Autorität, um eine solche Diskussion zu beenden oder in die richtige Richtung zu lenken. Sie meidet lieber den Konflikt. Damit verrät sie aber auch jene in der Partei, die sich angesichts der politischen Entwicklung und Diskussion Sorgen machen und sich eine beherzte Opposition wünschen, die der Regierung etwas entgegenhält. Wenn Rendi-Wagner nicht die Auseinandersetzung mit dem konservativen Flügel ihrer Partei, der sicherheitspolizeiliches Denken über den Wert von Grundrechten setzt, wagt, wird sie es schwerhaben, als Parteichefin ernst genommen zu werden. (Michael Völker, 26.2.2019)