Brexit-Befürworter in London.

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STANDARD: Wie geht es mit dem Austritt Großbritanniens nun weiter?

Seif: Wenn ich das nur wüsste. Ich bin ja extra nach London gefahren, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Aber meinem Eindruck nach wissen meine konservativen Freunde auch nicht so recht, wie es weitergeht.

STANDARD: Sie haben führende Politiker der britischen Regierungspartei getroffen, darunter auch den britischen Vizepremier David Lidington ...

Seif: Allen habe ich meine Idee vorgetragen: Statt der im Austrittsvertrag geplanten Übergangsfrist bis Ende 2020 würde ich das Verfahren nach Artikel 50 bis zu diesem Zeitpunkt verlängern. Das gäbe beiden Seiten Zeit, über die zukünftige Wirtschaftszusammenarbeit zu reden.

STANDARD: Und wie war die Reaktion?

Seif: Das wurde höflich zur Kenntnis genommen. Ich weise ja auch selbst darauf hin, dass die meisten Juristen das für nicht machbar halten. Bei den Briten merkt man: Die beschäftigen sich mit allen Varianten.

STANDARD: Als Haupthindernis für die Verabschiedung des Austrittspakets gilt die sogenannte Auffanglösung für Nordirland. Die Brexit-Befürworter wünschen sich eine zeitliche Begrenzung. Was ist hier Ihre Meinung?

Seif: Ich sehe aufseiten der EU keine Möglichkeit, in diesem Punkt den Briten entgegenzukommen. Eine Notfalllösung ergibt nur Sinn, wenn sie im Notfall auch greift. Mir blieb auch unklar, was genau britische Minister in Brüssel eigentlich erreichen wollen. Je detaillierter ich nachfragte, desto abstrakter wurden die Antworten.

STANDARD: Während Ihres London-Aufenthaltes hat Premierministerin Theresa May erstmals von einer Verschiebung des Brexit-Termins um drei Monate gesprochen.

Seif: Theresa May sagt ja, dass sie die Verschiebung nicht will. Diese könnte aber für eine "innenpolitische Anpassung" erforderlich werden. Das scheint mir nicht nachvollziehbar. Ich habe allen Gesprächspartnern gesagt: Verschieben geht nur mit vernünftigem Grund. Wir haben kein Interesse daran, die innenpolitische Unruhe Großbritanniens auch noch in alle 27 EU-Mitgliedsstaaten zu tragen.

STANDARD: Und wenn es doch zum zweiten Referendum kommt, von dem die Oppositionspartei Labour neuerdings spricht?

Seif: Wenn das die Mehrheit des Parlaments will, wäre die EU sicher flexibel. Für sehr wahrscheinlich halte ich das aber nicht. Immerhin war bemerkenswert, dass einige meiner Gesprächspartner offenbar schon recht genau über eine neuerliche Volksabstimmung nachgedacht haben und detailliert Probleme benennen können. Als frühestmöglicher Termin für ein zweites Referendum wurde mir Anfang nächsten Jahres genannt. (Sebastian Borger aus London, 28.2.2019)