Meist silber oder schwarz, das klassische, gut fünf Zentimeter breite Gaffa Tape.

Foto: GettyImages

Mit einem Schweizer Messer kann man die Welt zerteilen. Es ist eine gute Erfindung. Man kann damit Gordische Knoten lösen, Flaschen öffnen, die Fingernägel schneiden oder Löcher in alles Mögliche, etwa Käse oder Holz, bohren. Das Schweizer Messer bahnt sich zuverlässig seinen Weg durch das Dickicht der Welt. Das Schweizer Messer macht frei. Es löst Probleme wie sonst nur der Rostlöser WD-40. Nach fest kommt lose.

Das Gaffa Tape aber ist dazu da, die Welt zusammenzuhalten. In der Managementtheorie werden WD-40 und das Gaffa Tape bezüglich Flussdiagrammen und Ablaufplänen gern als plakative Beispiele gegeneinander ausgespielt: Soll eine Struktur fließend sein oder fest einzementiert? Wer Gaffa klug verwendet, der weiß, dass sich danach nichts mehr rührt. Man klebt im wahrsten Wortsinn fest, wie es so schön heißt.

Ein unkaputtbarer Siegeszug

Der US-Filmemacher und Lichttechniker Ross Lowell ist nun im Alter von 92 Jahren im US-Bundesstaat New York verstorben. 1959 sollte er die Welt mit der Erfindung des Gaffa Tape nachhaltig verändern. Deutsch auch: Gaffer- oder Panzerband, der Name kommt von "Gaffer", dem amerikanischen Wort für einen Oberbeleuchter beim Film. Das mit Baumwollfasern verstärkte, superhalt- und beinahe unkaputtbare Klebeband, das Lowell aus zarter besaiteten Vorgängern wie dem "Tesafilm", dem "Leukoplast" oder dem im Zweiten Weltkrieg zur Abdichtung von Munitionskisten eingesetzten US-amerikanischen "Duct Tape" entwickelte, trat damals parallel zum Urknall des Rock 'n' Roll und der Popkultur einen Siegeszug an, der seinesgleichen sucht.

Kein Leben ohne Gaffa

Nicht nur bei Bühnentechnikern in Film, Funk, Fernsehen und auf den Konzertbühnen zwischen der Hollywood Bowl und der Mehrzweckhalle in St. Georgen an der Gusen ist das in verschiedenen Farben, meist jedoch in Schwarz oder Silber erhältliche, hitzefeste und wasserresistente Band seither unverzichtbar. Wenn es darum geht, Kabel, Mikrofone, Lampen, auseinanderfallende Instrumente oder – als Bodenmarkierung eingesetzt – Schauspieler- oder Musikerpositionen und überhaupt alles zu fixieren, was nicht niet- und nagelfest ist, gibt es ohne Gaffa kein Leben mehr.

Seit Gaffa Tape spätestens ab den 1990er-Jahren in verschiedenen, meist jedoch an die fünf Zentimeter breiten Formaten auch in seinen Billigsdorfervarianten in jedem Baumarkt erhältlich ist, man es bei Konzerten also nicht mehr mitgehen lassen muss, ist der Siegeszug ins Unabsehbare gewachsen. Das Gaffa Tape hält nicht nur, was es verspricht. Aufgrund der Tatsache, dass man es von der Rolle wegen seiner textilen Natur auch sehr leicht abreißen und vor allem nach dem Gebrauch meist spurlos und leicht wieder entfernen kann, ist es auch ein hochgradig modernes Tool.

Fifty Shades of Gaffa

Davon wissen auch Baumax-Kunden im Gedenken an den Hollywood-Blockbuster "Fifty Shades of Grey" zu berichten. Zeitweise soll es diesbezüglich 2015 zu Lieferengpässen gekommen sein. Von Gaffa Tape und Horrorfilmen berichten wir dann aber ein anderes Mal.

Aus persönlicher Erfahrung sei gesagt, dass man mit Gaffa auch löchrige Schuhe, Hosen und Jacken reparieren kann. Man kann Zelte und gesprungene Fensterscheiben abdichten. Spitze auch, dass es möglich ist, auf Festivals wie dem Frequency auf dem holprigen Weg zum Zeltplatz damit Bierpaletten auf der Transportrodel zu fixieren.

Der bei einem Wirtshausbesuch verunfallte Nachbar im Waldviertel hat sich mit Gaffa und Taschentuch sogar einmal einen pippifeinen Verband auf dem Oberschenkel gemacht. Antiseptisch? Gehalten hat er! Spurlos weggemacht haben sie ihn dann einige Tage später im Krankenhaus auch. Allerdings hat es ein wenig "Fifty Shades"-mäßig Aua! gemacht. Danke, Ross Lowell. Wo immer du auch klebst. (Christian Schachinger, 28. 2. 2019)