Bis 1900 war Breitenlee landwirtschaftlich geprägt. Sogar das Grundstück in der Oleandergasse, auf dem die gemeinnützige Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA) 133 Wohnungen errichtete, die am Freitag an ihre Mieter übergeben werden, wurde bis vor kurzem noch als Weizenacker genutzt. Diese geschichtliche Identität des Ortes schwingt auf eine gewisse Weise mit. Denn als Vorbild für die ungewöhnliche Wohnhausanlage, deren Wohnungen um einen schmalen, langen Dorfplatz gruppiert sind, dient ein klassischer Siedlungstypus aus längst vergangenen Tagen.

Inspiriert vom Anger

"Die Dörfer im Weinviertel waren früher oft als längliche Plätze, als sogenannte Anger konzipiert", erklärt Robert Haranza, Projektleiter bei Querkraft Architekten, die das Projekt in Zusammenarbeit mit Architekt Thomas Moosmann realisiert haben. "Wir haben uns davon inspirieren lassen. Die Wohnungen liegen nun rund um einen langgestreckten Innenhof, den wir in der Fläche mit Sträuchern und Beeten begrünt und in dem wir sogar 37 Bäume gepflanzt haben." Die Planung dafür stammt vom Wiener Landschaftsarchitekten Joachim Kräftner.

In ein paar Jahren sollen sich Kletterpflanzen an den Fassaden in Erd- und Lehmfarben hocharbeiten und für ein gutes Mikroklima sorgen.
Foto: Lukas Dostal

Doch während das Grünkonzept in den meisten Wohnhausanlagen auf die horizontale Ebene beschränkt ist, wird sich die Natur in ein paar Jahren schon an den in Erd- und Lehmfarben gestalteten Fassaden hocharbeiten. Der Clou dabei: Die um den Innenhof gruppierten Putzflächen sind mit insgesamt 2100 Quadratmeter Stahlgitter verkleidet, die den schon in der Bauphase gesäten Kletterpflanzen – darunter auch wilder Wein – als Rankgerüst dienen. Im begrünten Zustand soll die lebende Fassade nicht nur ein Eyecatcher sein, sondern auch zum Mikroklima innerhalb des Quartiers beitragen. Per Mietvertrag verpflichtet sich jeder Mieter, sich um die Bewässerung der vom Balkon oder von der Terrasse aus zugänglichen Flora zu kümmern. Schnitt und Unkrautentfernung übernimmt der Bauträger.

Wie ein Dorf

Um den dörflichen Charakter im "Wohnen am grünen Anger" zu wahren, wurden die Wohnungen mal dichter, mal lockerer gruppiert. "Wir haben insgesamt sieben verschiedene Wohnungstypen zwischen 47 und 126 Quadratmetern, die wir nach dem Lego-Prinzip übereinandergestapelt und ineinander verschachtelt haben", so Haranza. Die sägezahnartige Burgzinnen-Silhouette, hinter der sich ein-, zwei- und dreigeschoßige Wohnungen verbergen, ist schon von weitem sichtbar. "Manche der Wohneinheiten haben fast schon Einfamilien- oder Reihenhauscharakter." Die monatliche Miete liegt bei 5,99 Euro pro Quadratmeter (einmaliger Finanzierungsbeitrag 405 Euro pro m2) sowie bei 7,50 Euro (Finanzierungsbeitrag 60 Euro) im Falle der Smart-Wohnungen.

Grün ist aber nicht nur das äußere Erscheinungsbild des Angerprojekts, das ursprünglich als Holzhaus konzipiert war, ehe die Variante der günstigeren Stahlbetonoption gewichen ist, sondern auch das Energie- und Mobilitätskonzept. "30 Prozent der benötigten Energie können wir direkt vor Ort erzeugen", sagt Michael Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung. "Die Dachlandschaft ist mit Fotovoltaik bestückt, hinzu kommen Luftwärmepumpen, die auf Niedrigenergiebasis die Fußbodenheizung in den Wohnungen zuspeisen." Die WBV-GPA ist im Gespräch mit Wien Energie, um für die Verteilung des PV-Stroms ("Bewohnerstrom") den Abrechnungsschlüssel festzulegen.

Auf eine unterirdische Garage wurde aus Kostengründen verzichtet. Stattdessen sind die knapp über 100 Stellplätze auf Straßenniveau angesiedelt. Jeder Stellplatz weist eine Leerverrohrung auf und kann von den Mietern mit einer E-Ladestation nachgerüstet werden. Ergänzt wird das Angebot durch ein E-Car, zwei E-Bikes und zwei E-Roller. (Wojciech Czaja, 6.3.2019)