Spielwiese für 60.000 Kunstwerke aus der Landessammlung Niederösterreichs: das neue Museum in Krems, entworfen von den Vorarlberger Architektenbrüdern Bernhard und Stefan Marte.

Faruk Pinjo/Landesgalerie NÖ
APA/Kunstmeile Krems
Faruk Pinjo/Landesgalerie NÖ

Amphibisch ist vielleicht das richtige Eigenschaftswort für dieses Haus. Wie ein Fisch dreht und wendet sich die neue Landesgalerie Niederösterreich in Krems an der Donau. Ein Zipfel des Baus weist in Richtung des in Rufweite gelegenen Stroms, eine andere Spitze Richtung Altstadt von Stein. Die Außenhaut aus metallischen Schuppen vervollständigt das organische Bild. Auf 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche entstand eine Spielwiese für die Kunstsammlung des Landes Niederösterreich. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart umfasst sie rund 60.000 Objekte.

Der mutige Museumsneubau der Vorarlberger Architekten Bernhard und Stefan Marte wird an diesem Wochenende unter dem Titel Architektur pur mit einem dreitägigen Programm voll Spezialführungen, künstlerischen Arbeiten, Diskussionen und festlicher Umrahmung eröffnet. Sicher nicht fehlen wird Niederösterreichs Altlandeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), denn der Bau ist so etwas wie der Schlussstein der forcierten Kulturpolitik unter seiner 25-jährigen Ägide.

Krems als Zentrum der Kunst

In den 1990er-Jahren schuf man neben ähnlichen Projekten in St. Pölten auch in Krems ein beschauliches Kulturviertel: die sogenannte Kunstmeile, wo sich zwischen Gefängnis Stein und Donau die Kunsthalle, das Karikaturmuseum und weitere Einrichtungen in das Weltkulturerbe-Ensemble einschrieben. 2015 schließlich entwickelten Erwin Prölls Kulturstrategen den Plan einer Neuordnung: Ins St. Pöltner Landesmuseum sollte neben der Naturkundesammlung auch das 2017 eröffnete Haus der Geschichte Einzug halten. Für die dort ebenfalls untergebrachte Kunstsammlung des Landes war kein Platz mehr.

Also beschloss man, die bereits vorhandene Kunstinfrastruktur in Krems auszubauen und für die Landessammlung ein neues Museum zu errichten. Der Spatenstich für das Haus erfolgte 2016, die Errichtung wurde straff durchgezogen, unterbrochen nur aufgrund archäologischer Funde, die man konservierte und ebenfalls ausstellen will.

Errichtungskosten von 35 Millionen Euro summierten sich mit Investitionen rundherum auf 75 Millionen, für den laufenden Betrieb des Museums sind 3,5 Millionen eingeplant, rund 100 Arbeitsplätze hat die Kunstmeile mittlerweile aufzubieten.

Mikl-Leitner geht Weg weiter

Prölls Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) steht zu den Investitionen und denkt nicht daran, diesen kulturpolitischen Weg zu verlassen. Sie spricht von einem "Architekturjuwel" und lobt den kühnen Entwurf. Denn schließlich sei es auch Aufgabe der öffentlichen Hand, zeitgenössische Architektur zu fördern.

Obwohl der Neubau der strengen Prüfung der Welterbeexperten standhielt, sind Teile der lokalen Bevölkerung gegen das Haus. Der Vorwurf: Es füge sich optisch nicht in die Umgebung ein; zwischen Gründerzeitbauten, Weinbergen und dem mittelalterlichen Steiner Stadttor ragt es für viele etwas zu markant in den Himmel.

"Anfangs sind Großbaustellen verständlicherweise meistens von Skepsis der lokalen Bevölkerung begleitet", sagt Mikl-Leitner zum STANDARD. Man habe aber versucht, durch persönliche Gespräche mit den Anrainern, durch Informationsveranstaltungen, bei denen Fragen und Anliegen herangetragen werden konnten, sowie mit einem möglichst transparenten Juryentscheidungsprozess des Architekturwettbewerbs Vorbehalte zu zerstreuen.

Programm mit Regionalbezug

Kunsthistoriker Christian Bauer, Chef der neuen Landesgalerie, schwärmt jedenfalls von seiner Arbeitsstätte: "Die Architektur hat eine große Bezogenheit auf den Ort und geht in hohem Ausmaß auf die Umgebung ein, auch wenn sich das Museum darin selbstbewusst behauptet." Der Bau erfülle eine Aussage des Kunstkritikers Werner Hofmann, wonach man "nicht immer zeitgenössische Kunst zeigen muss, Kunst aber immer zeitgenössisch präsentieren sollte".

Inhaltlich nimmt das Museum erst mit einem "Grand Opening" am 25. und 26. Mai seinen Vollbetrieb auf. Bei seinem Konzept betont Bauer die Regionalbezogenheit: Die Ausstellungen der Landesgalerie – egal ob kunst- oder, breiter, kulturhistorisch angelegt – sollen mit dem geografischen Umfeld des Museums und den Lebensrealitäten der lokalen Bevölkerung zu tun haben. Akademische Fragestellungen spielten dabei eine geringere Rolle, so Bauer.

Klare Rollenverteilung

Als Haus für Spezialisten soll vielmehr die etablierte Kunsthalle gegenüber fungieren. Sie wurde 2016 generalsaniert und ist nun unterirdisch mit dem neuen Museum verbunden. Als Direktor fungiert Florian Steininger, der sich angesichts des "Wolkenkratzers" vor der Tür wohl nicht mehr so viele Gedanken um Besucherzahlen machen wird müssen.

160.000 jährlich erwartet man sich übrigens in der gesamten Kunstmeile. Das sind in etwa so viele, wie das Wien Museum anlockt. Freuen dürfen sich auch Privatsammler: Mehrjährige Kooperationen sind mit Ernst Ploil und Helmut Zambo angedacht. Dan Grahams Glasskulptur Inspired by moon window etwa wird als Leihgabe Ploils für drei Jahre auf der Aussichtsterrasse des Museums Platz finden. Sie symbolisiert: Man will hoch hinaus in Krems. (Stefan Weiss, 1.3.2019)