Die Botschaft des Innenministers ist eine klare: Das bisherige Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen heißt seit Freitag "Ausreisezentrum".

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Wien – Beim Türschildwechsel sind die Beamten des Innenministeriums schnell. Am Freitag, dem 1. März, wurden die bisherigen Erstaufnahmezentren, wie zuletzt von Herbert Kickl (FPÖ) angekündigt, in "Ausreisezentren" umgetauft. Eine neue rechtliche Grundlage gibt es dafür nicht. Die brauche es auch nicht, glaubt Ressortsprecher Christoph Pölzl. Die neuen Begrifflichkeiten würden den unterschiedlichen Gesetzesbestimmungen und den dort verwendeten Begrifflichkeiten nicht entgegenstehen, sagt er auf Anfrage des STANDARD.

Neos sehen Gesetz gebrochen

Die Neos sehen das anders. Behörden könnten nur per Gesetz umbenannt werden, argumentiert die pinke Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper. "Kickl hat das Gesetz gebrochen. Die Bezeichnung Erstaufnahmezentrum ist durch mehrere Gesetze definiert, Verträge mit Drittfirmen beziehen sich auf diesen Namen, das kann nicht mit einem Federstrich geändert werden, nur weil Kickl einen flotten Sager für eine Pressekonferenz gebraucht hat. Das ist ein gefährliches Relativieren des Rechtsstaates, weil Kickl suggerieren will, dass es gar kein Recht mehr auf ein Asylverfahren gäbe, dagegen stehen wir klar auf." Krisper bringt nun eine parlamentarische Anfrage zur Umtaufaktion ein.

"Freiwillige Anwesenheit"

Beginnend mit März will Kickl auch "freiwillige Anwesenheitserklärungen" von Asylwerbern einholen, mit denen sich diese zur Einhaltung der Nachtruhe (22 und 6 Uhr) verpflichten sollen. Wer keine Erklärung abgibt, soll abseits von Ballungszentren untergebracht werden. Auch dafür brauche man keine legistischen Änderungen, ist das Innenressort überzeugt.

Beim Vorhaben einer "Sicherungshaft" für Flüchtlinge, die eine "Gefahr für die öffentliche Ordnung" seien, hätte Kickl hingegen gerne eine Gesetzesänderung. Wie berichtet will er dafür sogar die Verfassung ändern, wofür man die Zustimmung von SPÖ oder Neos bräuchte. Da diese aber am Donnerstag ihr klares Nein deponiert haben, ist nun offen, wie es bei diesem Thema weitergehen soll.

Weder Kickl noch Kanzler Sebastian Kurz wollten sich dazu auf Anfrage äußern.

Rechtsanwälte warnen

Keine Freude über die von Kickl in jüngster Zeit befeuerten Debatten hat Rechtsanwaltskammerpräsident Rupert Wolff. Bei einer Tagung von Anwälten aus ganz Europa erinnerte er an das Ende des Totalitarismus in Europa vor 30 Jahren und die damit gewonnen Freiheiten. Aktuell sei aber eine schleichende Abkehr von diesen Werten zu beobachten. Wolff sprach von "besorgniserregenden Tendenzen" und erinnerte an Kickls Sager, wonach das Recht der Politik zu folgen habe – sowie die Sicherungshaft.

Manch ein Politiker wünsche sich gar eine Präventivhaft für alle Bürger, wenn ein entsprechendes psychologisches Gutachten vorliege. Ein entsprechender Vorstoß kam zuletzt von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Wolff hält diese Entwicklungen nicht nur aus rechtsstaatlicher Sicht für bedenklich, "sondern schlichtweg für brandgefährlich". Wer Derartiges heute fordere, brauche "schleunigst Nachhilfe in Geschichte".

Kirchenunmut

Mit eindringlichen Worten warnte auch Kardinal Christoph Schönborn vor einer Sicherungshaft für Asylwerber. "In allen Diktaturen der Welt werden Menschen aus bloßem Misstrauen in Haft genommen", schrieb er in der Gratiszeitung "Heute".

In Vorarlberg appellierte die Plattform "Uns reicht's" in einem offenen Brief an die Klubobleute der Oppositionsparteien, sich der Debatte zu widersetzen und die rechtliche und politische Verantwortung Kickls an der Tötung des Sozialamtsleiters in Dornbirn durch einen türkischen Asylwerber zu hinterfragen. (Günther Oswald, Irene Brickner, 1.3.2019)