In den 1990er-Jahren gab es eigentlich nur zwei Arten von Jugendlichen: solche, die Beverly Hills, 90210 liebten, und solche, die die Serie – nein, nicht hassten, denn Hass ist ein zu großes Wort für eine Fernsehserie über eine Handvoll geschniegelter Teenager mit perfekter Fönfrisur, gebügelten Hemden und gestärkten Kleidern in den versnobten Hügeln Kaliforniens. Sagen wir also: verachteten.

Emotion war in jedem Fall im Spiel. In der Serie ging es um die großen Gefühle, stets verbunden mit sich anbahnenden oder zerbrechenden Zweierbeziehungen, die innerhalb der Gruppe von Jugendlichen – Bravo nannte das damals "Clique" – passierten. Beverly Hills, 90210 lief von 1990 bis 2000 im US-TV auf Fox.

Gesittet und spießig

Das alles gestaltete sich bürgerlich gesittet und wohl auch spießig. Schließlich huldigten die Beteiligten einem finanziell abgesicherten Lebensstil, bewohnten schicke Villen, trugen tolle Outfits (Karottenhosen!), fuhren klasse Schlitten und hatten dennoch Probleme wie jeder "normale" Teenager. Sie liebten und stritten und irgendwie fanden sie immer wieder zueinander.

Brandon, Brenda, Kelly, David, Donna, Steve und die anderen waren die verwöhnten Fratzen, die die in der Aaron-Spelling-Produktion auch die Kulisse abgaben für die Verhandlung tiefer gehender Themen wie Alkoholkrankheit, Suizid oder Aids, Teenagermütter und Abtreibung. Man konnte sich sehr unkompliziert hineindenken und gleichzeitig hinausflüchten. 293 Folgen ging das so. Dylan McKay war in dem Ensemble der Quicklebendigen der traurige Rebell – und für Beverly Hills, 90210 -Verachtende noch am vertrauenswürdigsten.

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James-Dean-Verschnitt

Luke Perry mimte den gnadenlos gut aussehenden Außenseiter, ein James-Dean-Verschnitt, der sich mit Lord Byron verglich, mit sich und der Oberflächlichkeit der Welt haderte und mit leidendem Blick Sätze sagte wie: "Die einzige Person, der du vertrauen kannst, bist du selbst." Lord Byron hätte vermutlich heftig widersprochen, aber egal. Jedenfalls wollten ganz viele Mädchen zu Hause vor den Röhrenfernsehgeräten den gutaussehenden, aber ganz offensichtlich seelisch verwundeten Lord in den Arm nehmen und trösten und dafür wochenlang Bravo-Nummern der Poster wegen sammeln und sich im Kinderzimmer der heimlichen Heldenverehrung widmen.

Eine solche Rolle wird man nur schwer los. So ging es allen, und es dauerte eine Weile, bis die einschlägige Berühmtheit andere Aspekte zuließ. Ihr Image ließ die Beverly Hills-Gang nie los – trotz der vielfältigen Lebensläufe, wie etwa im Fall von Shannen Doherty, die als Fernsehhexe ihre Vergangenheit als Brenda Walsh noch am ehesten abschütteln konnte.

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Foto: AP, Leslie Hassler

Perry akzeptierte, was er war: "Ich weiß, dass ich bis zu meinem Tod mit ihm assoziiert werde – aber das ist schon in Ordnung. Ich habe ihn erschaffen, er gehört zu mir", sagte er in einem Interview. Er werde sich nicht beschweren.

Befreiungsversuche

Perry wurde 1966 in Mansfield, Ohio, als Sohn eines Stahlarbeiters und einer Hausfrau geboren. Nach dem Highschool-Abschluss ging er nach Los Angeles, er arbeitete als Plattenaufleger, ehe er die Rolle des Dylan in der Serie Beverly Hills, 90210 übernahm, die nach einigen Anlaufschwierigkeiten ihren Darstellern den Status von Popstars bescherte.

Das Drehbuch sah Schicksalsschläge vor, die für zehn Leben reichten: Einmal platzte Dylans Hochzeit, weil seine Braut erschossen wurde, ein andermal hätte er nach einer durch einen Überfall ausgelösten Angststörung um ein Haar seinen Freund Brandon gekillt. Der Alkohol hatte ihn sowieso immer wieder im Griff. Wie das Leben eben so spielt.

Mit seiner Rolle habe er nichts gemein, betonte Perry: "Ich dagegen glorifiziere weder Sportwagen noch besuche ich Dichterlesungen. Manche Leute behaupten schon, ich wäre kein richtiger Schauspieler, weil ich diesen Harley-Davidson-Kult nicht mitmache. Aber so bin ich einfach nicht. Wenn Hollywood mich irgendwann einmal nicht mehr braucht, gehe ich dahin, wo ich hergekommen bin, zurück und fahre Rettungswagen."

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Foto: Willy Sanjuan/Invision/AP

Die Befreiungsversuche waren gründlich und führten sogar so weit, dass Perry vorzeitig ausstieg, um eine Kinokarriere zu starten. Es reichte zunächst nur bis zum Rodeoreiter in 8 Sekunden, weshalb er zur Serie zurückkehrte, als "Special Guest Star".

Als es endgültig aus war, bekam Perry den Fuß nur noch bedingt in die Showtür. So spielte er in Oz, einer Serie, die bis heute zu den besten des episch erzählten Fernsehens gehört.

Danach beließ er es beim Durchschnitt. Er gab Gastauftritte in Will & Grace und Hot in Cleveland, tauchte in Criminal Minds sowie in Body of Proof und zuletzt in der Mysteryserie Riverdale auf. Noch nicht veröffentlicht ist der Quentin-Tarantino-Film Once Upon a Time in Hollywood, an dem er ebenfalls mitwirkte.

Dass Beverly Hills, 90210 eine ganze Generation geprägt haben soll, wird im Nachhinein gern gemutmaßt. Das scheint, mit Verlaub, etwas hoch gegriffen. Vielmehr stellten die Buben und Mädels aus der Serie ein Angebot, das junge TV-Konsumenten, etwa hierzulande, allein schon deshalb in Anspruch nahmen, weil es zwischen Seniorenclub und Nils Holgersson noch nicht ganz viel Programm für sie gab und sich, abgesehen davon, einem sehr profanen Bedürfnis widmete: Einmal pro Woche seine Fernsehfamilie zu treffen, den Alltag wegzudenken und am nächsten Tag beim Pausenbrot über das Gesehene zu reden.

Für Pubertierende, die sich gegen ihre Eltern auflehnten, waren die angepassten Kids ohnehin ein Flop.

Für eine vor kurzem von Fox bekanntgegebene geplante Fortsetzung der Serie mit einem Großteil der Originalbesetzung war Perry nicht vorgesehen.

Die Fans liebten den Schauspieler aus ganzem Herzen, entsprechend tief ist die Trauer über den plötzlichen Tod Perrys in sozialen Medien, auch bei Schauspiel-Kollegen.

Luke Perry starb am Montag in einem Krankenhaus im Norden von Los Angeles im Alter von 52 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Um ihn trauern seine Verlobte Wendy Madison Bauer, Ex-Frau Rachel Sharp und zwei Kinder. (Doris Priesching, 5.3.2019)