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Wladimir Putin will alles unter Kontrolle haben – auch das Internet.

Foto: Sergei Chirikov / REUTERS

Lange galt das Internet als praktisch unkontrollierbar: Die globale Infrastruktur würde jegliche Zensurbestrebungen verhindern, und so auch auf der gesamten Welt zu mehr Freiheit führen – so die Hoffnung vieler rund um die Jahrtausendwende. Doch die vergangenen Jahre zeigten eine ganz andere Entwicklung. Länder wie China kontrollieren ihr Internet massiv, auch in westlichen Demokratien werden die Zensurbestrebungen immer stärker. Und in Russland will man nun noch einen Schritt weiter gehen.

Abtrennung

Präsident Wladimir Putin wirbt derzeit für ein neues Gesetz, mit dem eine Art eigenes russisches Internet geschaffen werden soll. Dabei soll die bestehende Internet-Infrastruktur von internationalen Anbietern unabhängig gemacht werden. Ein Schritt hierfür wäre die Einführung eines eigenen Domain Name System (DNS). Dieses ist im Internet für die Auflösung der Domain-Namen (also etwa: kremlin.ru) auf die dahinterstehenden IP-Adressen zuständig, nimmt also eine wichtige Rolle in der Infrastruktur ein.

Die Verfechter des neuen Gesetzes argumentieren damit, dass dies notwendig sei, um im Fall eines großen Cyberangriffs eines anderen Landes die lokale Infrastruktur am Laufen zu halten. Bisher mache man sich zu sehr von anderen Ländern abhängig.

Zweifel

Kritiker vermuten hingegen eine ganz andere Motivation: In Wirklichkeit gehe es darum, im Falle von Aufständen in einzelnen Regionen Russlands das Internet kappen zu können und so die Kommunikationsmöglichkeiten der eigenen Gegner einzuschränken. Davon zeigt sich jedenfalls Andrei Soldatow, Journalist und Experte für den russischen Geheimdienst, gegenüber Bloomberg überzeugt.

Zudem gebe es aber noch eine zweite Motivation: Ein solcher Umbau würde unweigerlich den Aufbau zentraler Angriffspunkte für die staatliche Kontrolle bieten – also eine weitreichende Überwachung ähnlich wie in China ermöglichen. Beides sei auch deswegen relevant, da die Popularitätswerte von Putin derzeit gerade auf einem langjährigen Tiefstand angekommen sind.

Für diese Theorien spricht noch ein anderer Punkt: Aus einer technischen Perspektive würden solche Umbauten das russische Netz nicht schwerer, sondern leichter angreifbar machen. Ein verteiltes System wie das Internet ist wesentlich resistenter gegen Cyberattacken als ein relativ leicht angreifbares, zentralisiertes Netzwerk sein kann.

Vorgeschichte

Vergangenen Oktober reagierte der Kreml auf Proteste im Nordkaukasus, indem man die lokalen Provider zur Deaktivierung des mobilen Internetzugangs zwang. Die Blockade war aber trotzdem löchrig, etwas, das mit kompletter Kontrolle über die Infrastruktur nun ausgeräumt werden könnte. Auch sonst hatte der Kreml mit seinen Zensurbemühungen nur begrenzt Glück: Die Versuche, den verschlüsselten Messenger Telegram russlandweit zu blockieren, führten zu massiven Problemen. Da dieser die Cloud-Infrastruktur von großen Unternehmen wie Amazon oder Google nutzt, wurden durch die staatliche Blockade zunächst zahlreiche andere Services mitblockiert, während Telegram selbst erreichbar blieb.

Ob die Trennung Russlands vom restlichen Internet überhaupt realistisch ist, ist allerdings längst nicht klar. Für die kommenden Wochen ist jedenfalls ein Test anberaumt, in dem für einige Stunden die Trennung Russlands vom restlichen Internet ausprobiert werden soll. Dieser soll Erfahrungswerte liefern, um zu zeigen, wie realistisch so ein Schritt ist – und welche Problempunkte sich dabei auftun. An dem Versuch sollen sich sämtliche russischen Provider beteiligen. (red, 6.3.2019)