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Männerbünde gibt es schon am Schulhof. Sie belohnen das Mitschwimmen und Wegschauen.

Foto: Getty Images/Jayesh

Folgt man dem aktuellen politischen Diskurs, so scheinen Frauen für ihre benachteiligte gesellschaftliche Stellung selbst verantwortlich zu sein. Weniger Gehalt? Ihr müsst härter verhandeln! Opfer von Gewalt? Ihr müsst besser auf euch aufpassen!

Dass Frauen in Österreich in vielen Bereichen benachteiligt sind, ist unbestritten: Sie verdienen weniger und sind häufiger von Armut betroffen als Männer, sie leisten mehr häusliche Sorge- und Pflegearbeit, sie sind privat und beruflich von Männergewalt betroffen und stoßen auf gläserne Decken in Politik, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Liste lässt sich fortsetzen. Anders als es die aktuelle Regierung darstellt, ist das Patriarchat also weder ein Randphänomen noch durch Zuwanderung "importiert". Unsere Gesellschaft ist patriarchal strukturiert, männliche Herrschaft ist nicht überwunden. Was bedeutet es also, als Mann in so einer Gesellschaft zu leben?

Die patriarchale Dividende

Es bedeutet etwa, mehr Anerkennung, Macht und Geld zu bekommen. Männer erhalten, um es mit den Worten der Männlichkeitsforscherin Raewyn Connell zu sagen, eine "patriarchale Dividende", also Privilegien aufgrund ihres Geschlechts. Diese Dividende wird in unterschiedlichen Währungen ausgeschüttet, etwa symbolisch in Form von größerer Entscheidungsmacht in familiären Angelegenheiten oder in monetären, wie am Gender Pay Gap abgelesen werden kann.

In so einer Welt erhalten Männer nicht nur das Versprechen auf mehr Ressourcen, sie entwickeln auch das Gefühl, dass die Ungleichverteilung gerechtfertigt ist und sie einen Anspruch auf dieses Mehr haben. So zeigten die MeToo-Fälle, mit welcher Selbstverständlichkeit sich Männer Zugriff auf weibliche Körper und Sexualität verschafft haben. Aber auch die alltäglich stattfindende Gewalt in Partnerschaften ist getrieben von gekränktem männlichem Stolz und dem dahinterliegenden Gefühl des Anspruchs auf die Frau. Die männliche Anspruchsberechtigung ist der Kern des Problems: Frauen sind auch gekränkt, wenn ihre Partner sie verlassen, sie bringen sie deshalb aber nicht um.

Seilschaften und Männerbünde

Für das Leben von Männern in patriarchalen Gesellschaften sind Seilschaften und Männerbünde zentrale Orte der Männlichkeitskonstruktion. Sie begegnen ihnen schon am Schulhof und in Männerfreundschaften, später setzen sie sich in Ausbildung und Beruf fort. Männerbünde übernehmen dabei unterschiedliche Funktionen: Sie sind einerseits strategische Netzwerke, in denen Wissen, Ressourcen und Posten weitergegeben werden. In Führungspositionen sitzen oft nicht die Besten der Branche, sondern die Besten aus Männernetzwerken oder die, die Chefs an ihr jüngeres Ich erinnern, denn Studien belegen: Bewerber werden nach dem ausgesucht, was einem selbst ähnlich ist ("homosoziale Reproduktion").

Männerbünde sind aber auch Orte, an denen Männlichkeit gemeinsam eingeübt und dargestellt wird. Sie können als "Schule der Männlichkeit" verstanden werden. Obwohl sie meist hierarchisch organisiert sind, herrscht oft eine starke emotionale Bindung und Loyalität vor. So bekommen die Mitglieder einerseits Halt und Unterstützung durch die Gruppe. Im Gegenzug verlangt sie jedoch Anpassung und Zusammenhalt nach innen und Verteidigung nach außen. Männerbünde schaffen dadurch Abhängigkeit und Konformität, und sie belohnen das Mitschwimmen und Wegschauen, um "one of the boys" bleiben zu können.

Toxische Männlichkeit

Aber sind wir nicht eigentlich mit einer Krise der Männlichkeit konfrontiert, wie man regelmäßig im Feuilleton liest? Tatsächlich sind viele Eigenschaften traditioneller Männlichkeit krisenhaft, wie unlängst auch die namhafte American Psychological Association bestätigte. Jene Männlichkeitsvorstellung, die ein dominantes Auftreten, Übergriffe und Gewalt fördern. Sie fügt Frauen und Kindern, aber auch Männern, die den Normen nicht entsprechen, körperliche und seelische Schäden zu. Sie schadet aber auch Männern selbst, da sie emotionale Instabilität, Vereinsamung und Depression fördert wie auch destruktive Verhaltensweisen gegen sich selbst. Doch während im Krisendiskurs oftmals "die Gesellschaft" und "die Frauenemanzipation" für Leiden der Männer verantwortlich gemacht werden, ist es tatsächlich die männliche Herrschaft selbst, die diese "toxische Männlichkeit" produziert.

Aktuell sehen wir in Österreich und darüber hinaus ein Erstarken autoritärer politischer Ideologien, die um männliche Führerfiguren kreisen und eine konservative Geschlechterpolitik propagieren. Sie bieten Männern an, sich als Opfer des Feminismus zu sehen und versprechen eine Rückkehr in frühere Tage, in denen Männer noch das Sagen hatten.

Mehr Selbstreflexion

Gegen diese Ideologie regt sich breiter Widerstand – und Männer sollten sich dem anschließen. Sei es aus demokratischer Überzeugung oder aus Solidarität mit jenen, deren Lebenschancen durch männliche Herrschaft eingeschränkt werden. Nicht zuletzt kann auch die Aussicht, das eigene Leben freier und vielfältiger zu leben, eine Motivation für Männer sein, sich für den Feminismus zu engagieren und Alternativen auszuloten. Möglichkeiten dafür gibt es viele. Männer können sich für politische Maßnahmen einsetzen, die männliche Dominanz und Männerbündelei überwinden, indem sie Frauenrechte und Gleichstellung fördern. Ein Blick in den Forderungskatalog des kürzlich abgeschlossenen Frauenvolksbegehrens gibt dafür Inspiration.

Die Veränderung herrschender Verhältnisse verlangt aber auch eine Reflexion und Veränderung eigener alltäglicher Handlungen und Selbstbilder. Männer können sich fragen: Wie prägen dominante Männlichkeitsbilder meine sozialen Nahbeziehungen oder meine Bilder von Vaterschaft und die eigene Erziehungspraxis? Wie raumnehmend agiere ich in der Öffentlichkeit und in Gesprächssituationen? Wie reagiere ich, wenn Frauen oder auch Männer, die den traditionellen Geschlechterrollenbildern nicht entsprechen, abgewertet werden? Ausgehend von dieser Sensibilisierung gilt es, alternative Sichtweisen und Handlungsstrategien zu entwickeln. Am besten im Dialog mit Frauen, um von ihren Erfahrungen mit patriarchalen Verhältnissen zu lernen. Der Frauentag ist eine gute Gelegenheit dafür. (Paul Scheibelhofer, Laura Wiesböck, 7.3.2019)