ORF-Reporter Christian Wehrschütz darf offenbar nicht mehr in die Ukraine einreisen.

Foto: APA / Herbert Neubauer

Kiew/Wien –

Auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz protestierte gegen das Einreiseverbot. Das Einreiseverbot gegen "einen der renommiertesten Experten für Osteuropa" sei "ein inakzeptabler Eingriff in die journalistische Berufsausübung". Er forderte die Ukraine auf, das Einreiseverbot mit sofortiger Wirkung wieder zurückzuziehen.

Spekulationen schon länger

Seit Wehrschütz Ende Dezember über Schikanen durch ukrainische Behörden sowie die Verweigerung einer Akkreditierung für die ostukrainischen Frontgebiete geklagt hatte, wurde in informierten Kiewer Kreisen über ein mögliches Einreiseverbot für den ORF-Korrespondenten spekuliert. Das nunmehrige Verbot dürfte jedoch erst in den allerletzten Tagen beschlossen worden sein: Noch am 21. Februar hatte der SBU gegenüber der APA erklärt, dass gegen Wehrschütz "keine Entscheidung über einschränkende Maßnahmen" gefällt worden sei.

Laut einer SBU-Sachverhaltsdarstellung, die die Ukraine im Februar an den OSZE-Medienbeauftragten übermittelt hatte, habe Wehrschütz am 30. Juli 2018 durch das Verlassen der Krim über die Krim-Brücke ukrainische Gesetze gebrochen. "Die Verletzung der Ein- und Ausreiseprozedur von vorübergehend okkupierten Gebieten der Ukraine in Verbindung mit folgenden propagandistischen und antiukrainischen Postings von Wehrschütz auf Facebook könnte laut Paragraf 332-1 des Strafrechts als strafrechtliches Delikt interpretiert werden und ist der Grund für die Verweigerung der Frontgebietsakkreditierung", hieß es in dieser der APA vorliegenden Darstellung.

Der ORF-Korrespondent betonte indes wiederholt, sich bei einer Krim-Reportage an alle ukrainischen Gesetze gehalten zu haben und die umstrittene Brücke über die Straße von Kertsch selbst nicht befahren zu haben. "Der Kern des Problems ist, dass die derzeitige Führung in der Ukraine kein Verständnis für eine objektive und kritische Berichterstattung hat", kommentierte Wehrschütz Ende Dezember sein damaliges Problem mit der Frontgebietsakkreditierung. (APA, 7.3.2019)

Kurz verurteilt Einreiseverbot

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) teilt die Kritik von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) an dem von der Ukraine verhängten Einreiseverbot gegen ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz. Kneissl hatte das Verbot als "in Europa inakzeptabler Akt der Zensur" verurteilt.

"Der Bundeskanzler teilt die Meinung der Außenministerin in dieser Causa", hieß es am Freitag auf APA-Anfrage aus dem Bundeskanzleramt. Kurz werde "eng abgestimmt mit dem Außenministerium" vorgehen.

"Antiukrainische Propaganda"

Die ukrainischen Behörden werfen dem österreichischen Journalisten eine "bewusste Verletzung der ukrainischen Staatsgrenze", "Beteiligung an Rechtfertigungsversuchen der (russischen, Anm.) Annexion der Krim" sowie "antiukrainische Propaganda" vor.

Der ukrainische Botschafter Olexander Scherba hatte Mitte Februar die Verweigerung einer Frontgebietsakkreditierung für den Korrespondenten mit ORF-Dreharbeiten auf der umstrittenen Krim-Brücke im vergangenen Sommer begründet. Eigenen Angaben zufolge hatte Wehrschütz die Brücke zwischen der völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel und dem russischen Festland damals jedoch nicht befahren und sich an alle ukrainischen Gesetze gehalten.

"Mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen"

Im Ö1-"Journal" betonte Wehrschütz am Freitag, den Bescheid, der ihm noch nicht vorliege, zu prüfen und dann das Einreiseverbot "mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen" zu wollen. Er verwies darauf, dass er über einen legalen Aufenthaltstitel bis Ende Juni dieses Jahres verfüge.

Die Vorwürfe gegen ihn bezeichnete der Journalist als "abstrus". "Ich nehme an, dass die jetzige Führung der Ukraine eine Rechtfertigung sucht, um mich draußen zu halten, weil man mit kritischer Medienberichterstattung über Medienfreiheit, über Skandale beim Rüstungseinkauf während des Krieges nicht zufrieden ist." Er sprach von "Nervosität" in der Ukraine vor den Präsidentschaftswahlen. Wehrschütz kündigte an, über die Wahlen am 31. März trotz allem von Österreich aus zu berichten. (

ORF-Redakteursrat protestiert

Der ORF-Redakteursrat protestiert "schärfstens" gegen das Einreiseverbot für den Leiter des ORF-Büros in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, Christian Wehrschütz. "Die Verhinderung der freien Berichterstattung ist undemokratisch und ein Mittel der Zensur", hieß es am Freitag in einer Aussendung

Die Verweigerung einer Akkreditierung und die Verhängung eines Einreiseverbotes sei "eine unzulässige Einschränkung der journalistischen Arbeit und der Medienfreiheit. Unter längst entkräfteten Vorwänden einem Journalisten die Arbeit unmöglich zu machen, ist eines Rechtsstaates unwürdig." Die Berichterstattung als eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit" zu sehen, sei ein Vorwurf, der sich von selbst richte.

Der Redakteursrat forderte eine sofortige Aufhebung des Einreiseverbots. Jeder Versuch von Zensur und Einschränkung der freien Berichterstattung sei "ganz klar unvereinbar mit den pro-europäischen Werten, denen sich die Ukraine verpflichtet hat".

Einreiseverbot auch für Jenewein

Auch der FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein, der ebenfalls mit einem ukrainischen Einreiseverbot belegt ist, kritisierte die Maßnahme gegen Wehrschütz als "beispiellosen Akt der Zensur. "Die FPÖ verurteilt dieses mit europäischen Grundwerten völlig unvereinbare Vorgehen und fordert die sofortige Aufhebung des Verbots", teilte Jenewein in einer Aussendung mit. "Die Repression der Ukraine gegen den Journalisten ist jedenfalls absolut inakzeptabel."

Jenewein hat 2017 am "Internationalen Jalta-Wirtschaftsforum" auf der von Russland annektierten Krim teilgenommen und ukrainische Gesetze durch ihre Anreise aus Russland gebrochen. (red, APA, 8.3.2019)