In der Social-Media-Welt von Sebastian Kurz wird man vom ehemaligen Ö3-Moderator Peter L. Eppinger begrüßt. "Willkommen im Namen von Team Kurz", sagt er in einem Youtube-Video. Dann zählt Eppinger die vielfältigen Möglichkeiten auf, mit denen man Kurz online unterstützen kann: Man kann Beiträge teilen, liken und kommentieren und natürlich via Whatsapp über aktuelle Ereignisse informiert bleiben. Wer ins Online-Universum des Bundeskanzlers eintaucht, bekommt tatsächlich das Gefühl, "hautnah" dabei zu sein. Medial mag Kurz zwar als "Schweigekanzler" gelten, der sich zu Kontroversen nur spät oder gar nicht äußert; ein Informationsdefizit über seinen Alltag kann man ihm jedoch nicht vorwerfen – im Gegenteil.

Mindestens einmal täglich wird ein schickes Foto auf Instagram geteilt (72.000 Follower), dazu kommen der Whatsapp-Service mit einigen Tausend Abonnenten, der alle paar Tage über Neuigkeiten informiert, ein Twitter-Kanal (329.000 Follower) und Kurz’ Facebook-Seite, die an der Marke von 800.000 Fans kratzt.

Gleichauf mit Strache

Von diesen Werten können die meisten anderen Politiker nur träumen – mit Ausnahme von Kurz’ Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der ebenfalls bei fast 800.000 Facebook-Fans liegt. Setzt man die Zahl der virtuellen Anhängerschaft in ein Verhältnis zur Einwohnerzahl des jeweiligen Landes, liegt Kurz klar vor Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (2,3 Millionen Follower), dem Labour-Chef Jeremy Corbyn (1,4 Millionen) und sogar vor Italiens Vizepremier Matteo Salvini (3,5 Millionen). Von den Oppositionsparteien in Österreich ganz zu schweigen – Altbundeskanzler Christian Kern kam gerade einmal auf 240.000 Facebook-Fans.

Für den Erfolg der Kurz’schen Social-Media-Strategie sind vor allem zwei Personen verantwortlich: Kristina Rausch und Philipp Maderthaner. Sie gehören zum engsten Vertrautenkreis des Bundeskanzlers – und das seit einem Jahrzehnt. Rausch, heute 27, stieß schon im Alter von 17 Jahren zum Team des jetzigen Bundeskanzlers, der damals Obmann der Jungen ÖVP war. Sie folgte ihm zu all seinen Stationen: ins Staatssekretariat, ins Außenministerium, ins Bundeskanzleramt und nun wieder zurück in die Partei, wo sie die digitale Kommunikation leitet.

Social Media sei "passiert"

"Es gab nie einen offiziellen Start, dass wir jetzt voll auf soziale Medien setzen", sagt Rausch zum STANDARD. Vielmehr sei vieles "passiert" und habe sich langsam entwickelt. Das könnte auch daran liegen, dass rund um Kurz ein junges Team werkt – und der Chef selbst Social-Media-affin ist. "Es ist definitiv ein Augenmerk, das Sebastian Kurz hat", bestätigt Rausch, "er nimmt sich auch Zeit dafür, ein Video für Facebook aufzunehmen." Soziale Medien hätten für Kurz "einen Stellenwert", anders würde es auch nicht funktionieren: "Das muss auch vom Chef kommen."

Neben Rausch ist es vor allem Philipp Maderthaner, der den Onlineauftritt des Bundeskanzlers perfektioniert hat. Nach diversen Stationen bei der ÖVP gründete er 2012 sein "Campaigning Bureau", schon 2013 betreute er den Vorzugsstimmenwahlkampf des damaligen Staatssekretärs Sebastian Kurz; 2017 war er für die gesamte ÖVP-Kampagne verantwortlich. Für Maderthaner ist vor allem die Einbindung der Unterstützer wichtig. Mit dem "Cam Buildr" hat seine Firma ein eigenes Tool entwickelt, um Fans "zu aktivieren". Auch Rausch sieht in der täglichen Arbeit, wie wichtig es ist, Nutzer zur Mithilfe aufzufordern. "Wenn wir konkret darum bitten, dass Menschen unsere Beiträge liken oder weiterleiten, sehen wir tausende Interaktionen, sonst vielleicht nur einige Hundert", erzählt Rausch.

Eine dieser Personen, die in sozialen Medien freiwillig und unbezahlt für die Sache von Kurz kämpft, ist Gabriele Beierl. Taucht ein kontroverser Tweet rund um Kurz oder die ÖVP auf, dauert es meistens nicht lang, bis Beierl sich zu Wort meldet. "Ich komme aus einer hochpolitischen Familie, mein Vater war Sekretär bei Bundeskanzler Julius Raab", erzählt Beierl dem STANDARD. Sie habe sich selbst auf kommunaler Ebene politisch engagiert, bis sie aufgrund einer schweren Krankheit in Pension ging. Dann fing sie verstärkt an, in sozialen Medien aktiv zu sein; recherchierte etwa über ein illegales Pyramidenspiel, das 2015 aufflog. Dann kam der endgültige Aufstieg von Sebastian Kurz, und Beierl war sofort begeistert und überzeugt von ihm.

Jetzt betreut sie eine Facebook-Fanseite für Kurz und ist auf Twitter aktiv. Meistens mache ihr das Spaß, auch wenn sie es "schon fast als Arbeit" empfinde. Politischen Gegnern schreibt sie nur selten, auch der Tonfall in sozialen Medien macht ihr zu schaffen. Aber sie sei von Kurz "überzeugt" und wolle deshalb dessen Botschaft verbreiten.

Zuerst die FPÖ, dann Kurz

Beierl ist nicht die Einzige, die man als eine Art Kampfposterin für Kurz bezeichnen kann. Inzwischen engagieren sich zahlreiche User unentgeltlich für die Verbreitung der Anliegen der ÖVP. Vor dem Aufstieg von Kurz waren es vor allem die Freiheitlichen, die auf diese Art mobilisieren konnten.

Die Partei entdeckte früh die Möglichkeiten sozialer Medien und baute ein eigenes Paralleluniversum auf, um ihre Botschaft unter die Leute zu bringen – etwa über parteinahe Blogs, die Youtube-Sendung FPÖ-TV oder natürlich Straches Facebook-Seite. Bei der ÖVP sah man derartige Aktivitäten lange als unnötig an – auch weil man es leichter hatte, in klassischen Medien vorzukommen.

Verantwortlich sind für die Betreuung von Kurz’ Kanälen übrigens nur Rausch und ein zweiter Mitarbeiter. "Man braucht schon Leute, die grundlegend von dieser Arbeit überzeugt sind", sagt Rausch. Sie ist jedenfalls auf die Zukunft gespannt: "Ich warte schon darauf, was nach Facebook und Co kommt – oder ob es jetzt immer so weitergeht." (Fabian Schmid, 12.3.2019)