Kommt der Frühling, taut es, und die bosnischen Flüsse verwandeln sich in dicke Ströme. Die Migranten, die aus Griechenland Richtung Norden wollen, können wieder leichter über die Berge gelangen, weil sie nicht mehr durch meterhohen Schnee stapfen müssen. Auch heuer erwarten die bosnischen Behörden nun wieder einen Anstieg der illegalen Grenzübertritte. Zwischen dem 1. Jänner und 10. März kamen laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR 2366 Migranten ins Land. "Aufgrund der Anzahl der Ankünfte in den ersten zwei Monaten 2019 ist jedoch davon auszugehen, dass sich der steigende Trend fortsetzen wird", so Neven Crvenkovic vom UNHCR zum STANDARD.

Minister schlägt Alarm

Sorge bereitet den bosnischen Behörden, dass Griechenland plant, 6000 Asylwerber von den Inseln aufs Festland zu bringen. Denn dies bedeutet, dass sie Richtung Norden aufbrechen können. 2018 wurden über 23.000 Flüchtlinge von den Inseln aufs Festland gebracht – die Lager auf den Inseln sind überfüllt und die Bedingungen dort oft grauenhaft.

Grafik: DER STANDARD

Doch wer auf dem Festland ist, kann die "Bosnien-Route" versuchen. Im letzten Bericht des UNHCR heißt es deshalb: "Es sind daher dringend Maßnahmen erforderlich, um sich auf ein solches Szenario vorzubereiten." Der bosnische Sicherheitsminister Dragan Mektic schlug nun Alarm. "Es gibt Informationen, dass in Griechenland etwa 70.000 Migranten unterwegs sind, die den Wunsch und die Absicht haben, nach Mitteleuropa zu gelangen", warnte er vor "ernsthaften Problemen". Mektic verwies darauf, dass sich die EU nicht auf eine Lösung der Migrationskrise einigen könne und Bosnien-Herzegowina diesem Umstand zum Opfer falle.

Das Land habe nicht die Kapazitäten, die Herausforderungen zu meistern. Mektic geht es wohl auch um finanzielle Unterstützung. 2018 hatte die EU rund 9,2 Millionen Euro für die Versorgung der Migranten in dem Balkan-Staat zur Verfügung gestellt. Im Vorjahr kamen etwa 25.000 Migranten nach Bosnien-Herzegowina, von diesen befinden sich zurzeit noch etwa 3000 im Land. Sie melden sich meist bei den Behörden und sagen, dass sie um Asyl ansuchen wollen. Tatsächlich machen die meisten dies nicht, können aber offiziell zwei Wochen lang im Land bleiben.

In Italien untertauchen

Die bosnischen Behörden weisen darauf hin, dass sie viel mehr Personal an der serbischen und montenegrinischen Grenze brauchten, um diese effektiv zu kontrollieren. Mektic erwägt nun, das Angebot Ungarns anzunehmen: Budapest will Polizei schicken, um die bosnischen Grenzpatrouillen zu unterstützen.

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Migranten, die von Bosnien nach Kroatien wollen. Im Frühling sollen es mehr werden.
Foto: AP/Amel Emric

Viele Migranten überqueren bei Visegrad die serbische Grenze, die offensichtlich zu wenig kontrolliert wird, und gehen dann weiter Richtung Bihac, wo sie versuchen, nach Kroatien zu gelangen, um dann über Slowenien nach Italien zu wandern. Die meisten – es sind Pakistaner ohne Chance auf Asyl – wollen in Italien untertauchen. Doch viele bleiben wegen der Grenzkontrollen in Bosnien hängen und leben wochenlang oder monatelang in den Parks oder in improvisierten Lagern.

Derzeit ist Bosnien-Herzegowina nicht in der Lage, noch weitere Migranten aufzunehmen. Die Lager sind überfüllt und die Versorgung gerade noch leistbar. Es fehle vor allem an Rechtsberatung in den Unterkünften, "damit die Menschen freie und fundierte Entscheidungen über ihre Zukunft treffen können", so Crvenkovic. Immer wieder kommt es zu Streit in den Unterkünften. Zuletzt sind ein paar Migranten, die in die Herkunftsländer zurückgeschickt werden sollten, aus der Abschiebehaft geflohen.

Rückfahrticket nach Sarajevo

Eines der größten Probleme ist, dass die meisten von ihnen nicht in den Unterkünften im Landesinneren bleiben wollen, sondern immer wieder versuchen, an die Grenze zu gelangen. Nun wird überlegt, ob man allein reisenden männlichen Migranten, die im Kanton Una-Sana an der kroatischen Grenze ankommen, ein Rückfahrticket nach Sarajevo gibt, um den Kanton zu entlasten. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 14.3.2019)