Der Wohnhof Orasteig entstand im Rahmen der "neuen Siedlerbewegung". Die Mieter reden hier bis heute mit.

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Der Bauträger WBV-GPA stellte 2009 52 Kleingartenwohnhäuser fertig.

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Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zog es viele Wiener an den Stadtrand: Sie errichteten im Wienerwald illegale Bretterhütten und versorgten sich selbst, weil in der Stadt Essen und Wohnungen fehlten. War diese Siedlerbewegung anfangs noch wild, organisierte sie sich später genossenschaftlich und wurde sogar von der Stadt unterstützt.

Mehr als 80 Jahre später wurde die Bewegung in Wien wieder zum Thema, als Anfang der 2000er-Jahre viele Menschen aus der Stadt aufs Land zogen. Mit der "neuen Siedlerbewegung", die 2007 vom damaligen Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SPÖ) präsentiert wurde, wollte man gegenlenken und den Wienern mit einer kompakteren Siedlungsstruktur und privatem Grünraum eine Alternative zum Einfamilienhaus bieten.

Passende Grundstücke

"Es war der Versuch, neue Typologien im sozialen Wohnungsbau zu finden", sagt Robert Korab vom Städtebaubüro Raum & Kommunikation. Er war Teil einer Expertengruppe, die Empfehlungen für die Stadt ausarbeitete. Damals habe es noch viele "Reservewidmungen" aus den 1990er-Jahren gegeben, passende Grundstücke waren also vorhanden.

Zur neuen Siedlerbewegung wurden Bauträgerwettbewerbe veranstaltet, etwa für den Orasteig im 21. Bezirk. Hier entstand unter anderem der Wohnhof Orasteig mit 169 Wohnungen. Bauträger waren EGW Heimstätte und Heimat Österreich, für die Architektur waren PPAG Architects verantwortlich, für die Projektsteuerung Korabs Raum & Kommunikation.

Mitbestimmung der Mieter

Hier gibt es in Anlehnung an klassische Einfamilienhäuser dezentrale Eingänge und unterschiedlich orientierte Wohnungen. Außerdem wurde Wert auf Gemeinschaftsflächen und die Mitbestimmung der Mieter gelegt. Damit wurde an die ursprüngliche Siedlerbewegung angeknüpft, in der es ein reges Gemeinschaftsleben gab.

Zudem unterzeichneten Mieter bei Abschluss des Mietvertrages ein Mitbestimmungsstatut. Auch bei der Planung der Gemeinschaftsflächen konnten sie mitreden. Die Koordination übernahm ein Mieterbeirat, der als Drehscheibe zwischen Bewohnern und Hausverwaltung dient, hieß es damals.

Die Fertigstellung des Wohnhofs Orasteig ist jetzt zehn Jahre her. Was blieb von der damaligen Euphorie? Zwischenzeitlich sei der Mieterbeirat am Einschlafen gewesen, erzählt Wolfgang Kmochan, Leiter der Hausverwaltung bei der EGW Heimstätte. Nun funktioniere die Kommunikation aber wieder.

Die Rolle des Mieterbeirats vergleicht er mit jener des Hausbesorgers von früher: Er erkennt Probleme vor Ort und informiert die Hausverwaltung. Die Gemeinschaftsbereiche werden bis heute genutzt, die Mieter organisieren sich das nach wie vor selbst, berichtet er.

Wohnen im Kleingarten

Der Bauträger WBV-GPA errichtete damals im Pelargonienweg im 22. Bezirk nach Plänen von BEHF 52 Kleingartenwohnhäuser, die Fertigstellung war 2009. "Das war damals der Versuch, eine Kleingartenwohnhaussiedlung zu entwickeln", erinnert sich Geschäftsführer Michael Gehbauer. "Und ich glaube, das ist sehr gut gelungen." Nächstes Jahr können die Bewohner erstmals ihre Kaufoption ausüben. "Wir bemerken heute schon eine rege Nachfrage", so Gehbauer.

Insgesamt entstanden im Rahmen der "neuen Siedlerbewegung" 1.511 Wohneinheiten in 19 Projekten, 2014 wurden die letzten beiden Projekte in der Gerasdorfer Straße im 21. Bezirk fertiggestellt. Angekündigt waren 3.500 Einheiten gewesen.

"Die Nachfrage an solchen Wohnformen wäre durchaus noch vorhanden", sagt Gehbauer. Allerdings würden sie viel Fläche verbrauchen. "Angesichts der hohen Grundstückspreise sind solche Projekte heute daher nicht mehr realisierbar." (Franziska Zoidl, 17.4.2019)