Donald Trump treibt die EU vor sich her. Erst erließ der US-Präsident Strafzölle auf Aluminium und Stahl, dann folgte die Drohung, auch europäische Autoexporte mit höheren Tarifen zu belegen. Die Europäische Union will nun ein Handelsabkommen mit den USA abschließen, streitet aber intern. Frankreich hat bisher verhindert, dass es ein einheitliches Mandat für die Gespräche zwischen Brüssel und Washington gibt, am Donnerstag hat auch noch das EU-Parlament dagegen gestimmt. Das sind aber nicht die einzigen transatlantischen Spannungen. Auch bei russischem Gas und der Digitalsteuer gibt es Differenzen.

Als "sehr gut" bezeichnet US-Botschafter Trevor Traina die Handelsbeziehungen mit Österreich. Komplexer seien jene zwischen den USA und der EU.
Robert Newald

STANDARD: Die USA haben einige Handelskonflikte angezettelt, nun drohen auch noch Strafzölle auf europäische Autos. Geht es hier mehr um taktische Spiele oder ist die Lage ernst?

Traina: Lassen Sie mich zuerst sagen, dass unsere Handelsbeziehungen sehr gut sind. Die USA sind der zweitgrößte Abnehmer österreichischer Produkte, die Exporte aus Österreich sind im Vorjahr um zehn Prozent gestiegen. Wir haben überhaupt keine Handelsprobleme. Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU sind komplexer. Da geht es nicht nur um Zölle, sondern auch um nichttarifäre Barrieren. Aber lassen Sie mich ein Missverständnis ausräumen: Die USA treten für freien und fairen Handel ein. Wir wollen keine Zölle, aber wir verwenden sie, um Gespräche voranzubringen.

STANDARD: Wenn man sich die Exportzahlen ansieht, schaden sich die USA vor allem selbst. Die amerikanischen Exporte nach China beispielsweise sind zuletzt eingebrochen, das Handelsbilanzdefizit ist explodiert.

Traina: Die Ironie ist, dass die boomende Wirtschaft und der starke Dollar dazu führen, dass sich das US-Handelsbilanzdefizit vergrößert. Doch die Wirtschaft boomt wegen der Politik der US-Regierung. Es ist das erste Mal, dass China eine US-Administration ernst nimmt und absolut nicht vorhersagen kann, was Präsident Donald Trump vorhat.

Schramböck: Es gibt eine Krise in den langen Beziehungen zwischen den USA und der EU. Ich bin überzeugt, dass Strafzölle ein Bumerang und keine Lösung sind. Das wissen wir von ähnlichen Maßnahmen früherer Regierungen, die immer zu höherer Arbeitslosigkeit geführt haben. Wir brauchen eine Lösung mit niedrigeren Zöllen, und das schnell. Die EU muss dabei eng zusammenstehen und mit einer Stimme sprechen.

STANDARD: Sie wollen ein TTIP light, also eine verschlankte Variante des gescheiterten US-EU-Abkommens, das auch Schiedsgerichte und andere Punkte enthielt?

Schramböck: Nein, TTIP ist tot. Es gibt kein TTIP und auch kein TTIP light. Wir wollen eine Vereinbarung, die simpel und transparent ist und vorwiegend auf industrielle Produkte und Qualitätsstandards fokussiert. Das Problem mit TTIP war, dass es zu umfassend war, sodass es kaum jemand verstanden hat.

STANDARD: Frankreich scheint aus Sorge um die Landwirtschaft wenig Freude damit zu haben, ein Mandat für die EU-Kommission gibt es jedenfalls noch nicht.

Schramböck: Das Ziel ist, möglichst rasch ein Mandat zu beschließen. Landwirtschaftsprodukte sind dabei die rote Linie. Was das Problem Frankreichs ist, weiß ich nicht genau. Es dürfte um innerstaatliche Themen gehen. Ich habe im Rat betont, dass wir aufs Tempo drücken müssen.

Ich bin davon überzeugt, dass Strafzölle ein Bumerang und keine Lösung sind, sagt Schramböck.
Robert Newald

STANDARD: Wie stark muss sich die EU bewegen, damit die USA keine Strafzölle auf europäische Autos verhängen?

Traina: Ich denke, Strafzölle können verhindert werden, wenn sich die EU ausreichend bewegt. Solange wir produktive Gespräche führen, wird es keine Autozölle geben.

Schramböck: Viele europäische Autohersteller produzieren in den USA. Ich sehe keinen Grund für die USA, deswegen Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit zu ergreifen.

STANDARD: BMW ist der größte US-Autoexporteur. Ist das nicht ein Zeichen, dass europäische Hersteller ohnehin sehr stark in den USA investiert sind?

Traina: Das hat den Grund, dass Amerika ein fantastischer Ort für die Autoproduktion ist. Die US-Konsumenten geben viel Geld aus, die Standortfaktoren sind großartig. Es geht darum, dass die europäischen Zölle viel höher als die amerikanischen sind, vor allem in der Autoindustrie. In China kommen dann noch andere Probleme dazu. Ich habe österreichische Unternehmen, die in China tätig sind, besucht. Wenn eine Maschine kaputt ist, muss ein österreichischer Mechaniker einfliegen, weil die Unternehmen Angst haben, dass China Technologie stiehlt.

STANDARD: Neben dem Handelsstreit gibt es auch Differenzen in Bezug auf Russland, insbesondere betreffend Gaspipelines. Warum mischen sich die USA in die Frage ein, woher EU-Länder ihr Gas beziehen?

Traina: Energiesicherheit ist seit vielen Jahren ein Thema zwischen Europa und den USA. Das große Missverständnis dabei ist: Es geht nicht darum, US-Flüssiggas nach Europa zu verkaufen. Fakt ist, als dieses Thema aufkam, hat Amerika noch Flüssiggas importiert und nicht exportiert. Es ergibt einfach keinen Sinn für Europa, seine ganze Energie aus einer Quelle zu beziehen. Daher wäre es gut, die Energielieferungen zu diversifizieren.

STANDARD: Okay, aber warum mischen sich die USA in die europäische Frage ein, wenn es angeblich nicht um eigene wirtschaftliche Interessen geht?

Traina: Amerika ist die Verteidigung Europas ein Anliegen, und es will ein starkes und gut verteidigtes Europa. Amerika und Europa haben Bedenken betreffend einer zu großen Energieabhängigkeit. Speziell weil es in der Vergangenheit vorgekommen ist, dass Russland inmitten des Winters den Gashahn abdreht und Menschen sterben.

Traina vermittelte beim Besuch von Sebastian Kurz in Washington ein Abendessen mit Jared Kushner (links) und Ivanka Trump.
Foto: Bundeskanzleramt

Schramböck: Wir kaufen Gas, wenn die Konditionen und der Preis stimmen. Diversifizierung ist eine gute Idee, aber wir unterstützen klar Nord Stream. Wenn der Preis für Flüssiggas stimmt und ausreichend Terminals vorhanden sind, ist das auch gut.

STANDARD: Österreich und Europa machen da den Eindruck, es allen recht machen zu wollen und sich durchzuwursteln. Wir wollen russisches Gas, die USA sind dagegen. Jetzt baut Europa Flüssiggasterminals, obwohl es schon Überkapazitäten gibt, um Sanktionen zu vermeiden.

Schramböck: Es ist immer gut, sich nicht auf eine Energiequelle zu fokussieren. Das würde jedes Unternehmen so machen. In der Wirtschaft würden Zulieferer keine Aussage treffen, bei welchen anderen Anbietern man kaufen darf. Das von Ihnen angesprochene Durchwursteln sehe ich nicht.

Traina: Es gibt hier auch ein Fallbeispiel: In Litauen sind die Preise für russisches Gas um 20 Prozent gesunken, nachdem alternative Quellen angezapft worden sind. Dazu kommt, dass einige Länder die USA um Hilfe ersuchen, sich gegen die Pipeline einzusetzen.

STANDARD: Sind US-Sanktionen gegen Firmen mit North-Stream-Beteiligung wie die OMV eine echte Option oder mehr Drohkulisse?

Traina: Sanktionen sind immer eine Option.

"Sanktionen sind immer eine Option", so Trevor Traina.
Robert Newald

Schramböck: Wenn es zu Sanktionen kommt, müssen sie für alle gelten. Wir kennen Fälle, bei denen sich europäische Firmen wegen US-Sanktionen aus dem Geschäft zurückgezogen haben, während US-Unternehmen Ausnahmegenehmigungen erhielten. Grundsätzlich sind Sanktionen für uns keine Option.

STANDARD: Ein weiterer Konfliktpunkt ist die Digitalsteuer. Auch wenn eine EU-weite Lösung gescheitert ist, will Österreich mit einer nationalen Regelung vorpreschen und Onlinewerbung beispielsweise von Google oder Facebook besteuern. Wie reagieren die USA?

Traina: Unsere Position ist, dass auf OECD-Ebene eine einheitliche Lösung gefunden werden soll. Persönlich bin ich der Meinung, dass die Steuer für US-Konzerne sehr ärgerlich wäre. Für Europa wäre die Maßnahme aber noch schlechter, weil sie einen Gegenwind für Technologiefirmen bringt. Dass es in Europa keine Googles oder Facebooks gibt, hängt damit zusammen, dass es in vielen EU-Ländern nicht das richtige Umfeld oder Klima für diese Firmen gibt. Es gibt einfach zu viele Hürden für Technologieunternehmen. Die Digitalsteuer steht symptomatisch dafür.

Schramböck: In den USA gibt es einen Riss innerhalb der IT-Industrie. Einige sagen, dass sie einen fairen Steuerbeitrag in der EU leisten, sich aber ein neues Geschäftsmodell rasch entwickelt hat. Wir haben bisher keine Möglichkeit gehabt, uns des digitalen Geschäfts anzunehmen. Das wollen wir nun tun. (Andreas Schnauder, 16.3.2019)