Sneha hat einen Plan. Sie will Polizistin werden, um nicht heiraten zu müssen.

Foto: Screenshot YouTuber/Trailer

Zwei Träume hat Sneha für ihre Zukunft. Die junge Frau aus dem Norden Indiens möchte eines Tages als Sonderermittlerin bei der Polizei in Delhi arbeiten. Und sie möchte dort die Hygienebinden "Fly" in jedem Laden kaufen können. Diese beiden erhofften Zukunftsszenarios hängen eng zusammen, wie die Kurzdoku "Period. End of Sentence" (deutscher Titel: "Stigma Monatsblutung") zeigt, die im Februar mit einem Oscar ausgezeichnet worden ist. Denn nicht nur für Sneha hängt das große Thema Autonomie mit der vermeintlich banalen Monatshygiene zusammen. Das hat Struktur, und die wird auch mit Schweigen aufrechterhalten.

Unsicheres Gekicher, Scham und Unwissenheit stehen am Anfang der Dokumentation von Melissa Berton und Rayka Zehtabchi, in der Frauen von den unsäglichen Mühen während ihrer Regel erzählen. Die eine hielt nur ein Jahr in der Schule durch. Hatte sie ihre Menstruation, musste sie weit weg vom Schulgebäude, irgendwo im Freien, ihre Untertücher wechseln, wie die junge Frau erzählt. Überall waren Männer, die sie anstarrten. Sie gab die Schule schließlich auf.

Dustin Johnson

Eine andere erzählt, wie sie die blutgetränkten Stofffetzen aus altem Gewand nach Einbruch der Dunkelheit in der Erde vergrub und wie sie im Boden versank, wenn die Hunde sie wieder ausbuddelten. Die Rettung aus diesen monatlichen Horror ist strahlend weiß, hygienisch und dicht: Binden. Arunachalam Muruganantham, der im Film von der Menstruation als größtes Tabu Indiens spricht, hat eine Monatsbindenmaschiche entwickelt. Für die Herstellung der Binden beschäftigt er Frauen aus der Gegend. Die Binden bringen Frauen so einerseits Jobs und andererseits müssen sie sich nicht mehr monatlich verstecken. Die Filmemacherinnen illustrieren mit der Geschichte über dieses Projekt, wie (weltweit) strukturell verankerte Diskriminierung durch die Haltung zementiert wird, bestimmte Probleme seien die höchst intime Angelegenheit der Einzelnen. Doch die Frauen in der Doku lassen sich nicht mehr einreden, es gehe um nichts wichtiges.

Freiheit durch "Fly"

"In einem Patriarchat braucht man viel Geduld, um Dinge auszusprechen, die Frauen betreffen", bringt es Sneha im Film auf den Punkt. Er zeigt auch eindrücklich, wie sehr Autonomie für Frauen an ihre finanziellen Mittel gebunden ist. Es ist ja nicht so, dass es in Indien keine Binden gäbe, nur sind sie für die meisten zu teuer – und nicht mal besonders gut. Das können die Frauen aus dem nordindischen Hapur mit ihren "Fly"-Binden besser.

"Ich kann es nicht glauben, dass ein Film über Menstruation einen Oscar gewonnen hat", sagte Rayka Zehtabchi bei der Verleihung im Februar. Ihr Erstaunen zeigt, dass nicht nur Indien Schauplatz nötiger Veränderung ist. (Beate Hausbichler, 19.3.2019)