Die Regierung will das Kopftuch für muslimische Mädchen auch in den Volksschulen verbieten. Lieber mit Zweidrittelmehrheit als Verfassungsgesetz, möglicherweise aber auch mit einem einfachen Gesetz.

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Für Zana Ramadani ist die Grenze, an der die Kopftuchfrage endet oder zu verhandeln ist, klar: "Meine Religionsfreiheit hört dort auf, wo ich die Religionsfreiheit eines anderen Menschen, auch meines Kindes, berühre." Darum versteht die aus einer muslimischen Familie aus dem heutigen Nordmazedonien stammende und in Deutschland aufgewachsene Menschenrechtsaktivistin und Autorin des Buchs Die verschleierte Gefahr nicht, warum in Österreich überhaupt über ein Kopftuchverbot für Mädchen diskutiert werden muss.

Nicht nur, dass "es mit dem Kopftuch eine bestimmte Rollenzuweisung gibt – an Mädchen und Buben –, wird vor allem den Mädchen von klein auf ganz viel Freiheit genommen", sagte Ramadani am Dienstag im Bildungsministerium. Wohlgemerkt den "Mädchen der anderen", die der mit Blick auf ihre eigenen Kinder doch sonst so gleichheitsbewussten Mehrheitsgesellschaft offenbar egal seien. Darum empfinde sie es auch als "rassistisch", wenn nicht auch "die Mädchen der anderen" vor dem Kopftuch im Kindesalter geschützt würden. "Je mehr Mädchen Kopftuch tragen, desto größer der Druck auf die, die keines tragen", warnte sie. Ihr wäre ein Verbot bis 18 Jahre am liebsten.

Expertenhearing im Unterrichtsausschuss

So weit will die türkis-blaue Regierung nicht gehen. Sie möchte das muslimische Kopftuch nach den Kindergärten, wo das seit 2018 gilt, nun auch in Volksschulen verbieten. Dienstagnachmittag fand dazu ein Expertenhearing im parlamentarischen Unterrichtsausschuss statt, zu dem neben Ramadani unter anderen auch Ebrahim Afsah, Professor für Rechtswesen und Ethik im Islam an der Uni Wien, eingeladen war.

Auch er ist klar für ein Kopftuchverbot und pocht auf Einordnung in den größeren politischen und globalen Kontext: "Es ist kein einfaches Kleidungsstück, keine kulturelle Praxis, sondern ein politisches Symbol", was man in den vergangenen 40, 50 Jahren sehen könne. "Es kommt aus der arabischen Kultur, es ist kein islamisches Phänomen. Es gibt kein religiöses Gebot, vorpubertäre Mädchen zu verhüllen." Es gelte daher, "diesem Deutungsanspruch entgegenzutreten", betonte Afsah.

Deutungshoheit hat der Staat

Die Position der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), die ein Kopftuchverbot als "Eingriff in unsere inneren Angelegenheiten" interpretiert, sei "in schärfster Form zurückzuweisen", sagte der Jurist. "Die IGGÖ kann nicht für die Muslime sprechen. Die Deutungshoheit liegt beim Staat, nicht bei irgendeiner Religionsgemeinschaft."

Bildungsminister Heinz Faßmann hält das Kopftuchverbot für eine "sensible und heikle Frage mit gesellschaftlichem Symbolwert", die er "breiter diskutieren" möchte und für die er auf einen breiten politischen Konsens hofft. Dieser wäre durch die Zustimmung von SPÖ oder Neos zu einer verfassungsrechtlichen Verankerung der geplanten Bestimmung, die "das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist", untersagt, auch dokumentiert. Durch die Betonung der "Verhüllung des Haupts" wäre die jüdische Kippa nicht betroffen, hieß es.

Faßmann ist für das Kopftuchverbot in Volksschulen – betroffen wären nur öffentliche – vor dem Hintergrund der "Unterwerfung unter Rollenstereotype", die es zu hinterfragen gelte. Und er sieht darin ein Element eines zu erarbeitenden "Bauplans für eine Einwanderungsgesellschaft", wie die österreichische eine sei.

Wenn es sein muss, auch mit einfachem Gesetz

Notfalls könnte die Regierung das Verhüllungsverbot auch einfach gesetzlich regeln, sagte Faßmann mit Verweis auf den Leiter des Verfassungsdienstes, Gerhard Hesse. Diesem zufolge handle es sich um eine neutral formulierte staatliche Vorschrift, die die Bedingungen des Schulbesuchs regle. Eine solche Regelung sei im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention zulässig, das hätten Urteile zu Frankreich und der Türkei zuletzt gezeigt.

Der Initiativantrag von ÖVP und FPÖ zur Einführung eines Kopftuchverbots an Volksschulen wurde übrigens am Dienstag im Unterrichtsausschuss nach dem Expertenhearing erneut vertagt. Für die angestrebte Verfassungsbestimmung gibt es vorerst keine Zustimmung von SPÖ oder Neos – beide fordern eine Diskussion über ein Integrationsgesamtkonzept statt einer Einzelmaßnahme. (Lisa Nimmervoll, 19.3.2019)