Baustelle Europa: Draußen ein Feuerwehreinsatz, drinnen intensive Verhandlungen über den Brexit.

Foto: AFP / Emmanuel Dunand

Österreichs Europaminister Gernot Blümel wirkte ratlos, als er Dienstagmittag in Brüssel in ein EU-Ministertreffen ging, bei dem die Marschroute für das weitere Vorgehen beim Brexit festgelegt werden sollte. Nur zehn Tage vor dem geplanten Austrittstermin am 29. März und zwei Tage vor dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs herrscht Rätselraten, was die britischen Partner nach einer Serie widersprüchlicher Abstimmungen im Unterhaus eigentlich wollen.

Die britische Premierministerin Theresa May will einen langen Aufschub des EU-Austrittsdatums. ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch berichtet, was ein solcher Aufschub an der Situation ändern könnte.
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Bevor man über eine Verlängerung des Austrittstermins – egal ob kurz oder sogar bis ins Jahr 2020 hinein – reden könne, müsste London "zunächst etwas vorlegen, über das die Regierungschefs beraten können", sagte Blümel. Solange das nicht geschehe, sei die Möglichkeit eines "No Deal", eines ungeregelten (und chaotischen) EU-Austritts, gegeben.

Als der Österreicher nach nur zwei Stunden Beratungen den Rat wieder verließ, hatte sich das Bild zu den nächsten Schritten von Premierministerin Theresa May nicht verändert: Man tappt im Dunkeln, nicht zuletzt, weil der "Sprecher", der Vorsitzende des britischen Parlaments, John Bercow, tags zuvor erklärt hatte, dass er eine weitere Abstimmung über den EU-Austrittsvertrag nur zulassen werde, wenn er "in der Substanz" verändert werde.

Alles wartet also darauf, was May am Donnerstag zum EU-Gipfel mitbringt. Die deutsche Bundeskanzlerin, die gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron bei den wichtigsten EU-Entscheidungen in Krisen oft den Ausschlag gibt, sagte in Berlin, ohne eine klare britische Position könne es auf EU-Ebene auch keinen Beschluss geben.

Brexit ist Chefsache

"Wir werden sehen, was Theresa May uns sagt", erklärte sie, "dann werden wir versuchen, darauf zu reagieren." Sie, Merkel, werde jedenfalls "bis zur letzten Stunde kämpfen", um doch noch einen geregelten EU-Austritt des Vereinigten Königreichs zu erreichen, gemäß dem Austrittsdeal.

Merkels Wort deutet darauf hin, dass die EU-27 am Ende doch noch bereit sein werden, Zugeständnisse beim "Backstop", der Garantie für offene Grenzen in Irland, zu machen. EU-Chefverhandler Michel Barnier hatte zuletzt erklärt, dass es keine weiteren Änderungen mehr geben werde. Ein Sprecher der Kommission sagte dazu in Brüssel, man sollte diesbezüglich abwarten. London solle "rasch" seine Wünsche mitteilen. Man werde sich in parlamentarische Prozesse in einem Mitgliedstaat nicht einmischen.

Tatsächlich scheint nun der Punkt erreicht, wo Expertenverhandlungen nicht mehr den Ausschlag geben. Der Brexit wird längst auf höchsten politischen Ebenen verhandelt. Der Ständige Ratspräsident Donald Tusk hat Gespräche mit Merkel und Macron geführt. Er hatte bereits vergangene Woche den Kurs vorgegeben, dass er für eine "lange Verschiebung" des Brexit-Termins bis Ende 2020 eintrete. Damit könnte vermieden werden, dass die EU-Wahlen im Mai, die Konstituierung des Parlaments und die Wahl der neuen Kommission im Herbst beeinträchtigt werden. Man könnte mit London über den Austritt und die künftigen Beziehungen 2020 gleichzeitig reden. Italiens Premier Giuseppe Conte will aber nur einer kurzen Verlängerung zustimmen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 19.3.2019)