Wir kennen sie alle, die Geschichte: Man ging am Tag des Brexit-Referendums schlafen und wiegte sich in relativer Sicherheit, dass das Votum erwartungsgemäß knapp, aber letztendlich doch deutlich für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs innerhalb der Europäischen Union ausfallen würde. Am nächsten Tag flossen Tränen des Entsetzens bei den proeuropäischen "Remainern" und Freudentränen bei so manchem Brexiteer, der oder die es kaum noch erwarten konnte, endlich wieder frei von den angeblichen Zwängen und Nachteilen der EU zu sein.

So einfach, wie sich das so manch Brexit-Ultra vorstellte, kam es freilich nicht. Die oftmals angeführte Parabel, das Ausscheiden aus der EU sei wie der Versuch, ein Ei aus einem Omelette herauszulösen, entpuppte sich immer mehr als relativ treffende Beschreibung des komplexen Vorhabens.

Foto: Sebastian Kienzl / Der STANDARD

Wir gründeten zwar kein eigenes Brexit-Ressort, wie dies manch britischer Branchenkollege machen musste, dennoch bündelte das abenteuerliche Bestreben unserer Freunde jenseits des Ärmelkanals eine riesige Anzahl an Arbeitsstunden und zwar in vielen Ressorts. Nicht nur die Außenpolitik, auch die Wirtschaft, die Kultur oder die Innenpolitik berichteten regelmäßig, um Licht ins Brexit-Dunkel zu bringen.

Hürdenlauf

Unsere Brexit-Heatmap zeigt deutlich, wie sich die zunehmende Dringlichkeit der Problematik aufseiten der Briten auch in bei uns publizierten Onlineartikeln niederschlägt. Vom "Triggern" von Artikel 50 über die britischen Unterhauswahlen, das Misstrauensvotum von Premierministerin Theresa May innerhalb der Tory-Partei bis hin zu den abgelehnten Brexit-Verträgen im House of Commons berichteten wir an 674 von 1.000 Tagen über den Brexit. Vorgestern, Dienstag, war nämlich der tausendste Tag seit dem ominösen Brexit-Referendum. Nicht selten fand sich das Schlagwort "Brexit" seither in mehr als 15 Artikeln täglich.

Auch wenn manch Leserin oder Leser des STANDARD bei Brexit-Artikeln schon auf Durchzug schaltet und lieber auf das "bitter or happy end" wartet, so verspürten wir doch eine unheimliche Resonanz und ein beeindruckendes Interesse an der Zukunft der britischen und europäischen Politik, aber auch an der Verfahrensweise des britischen Parlamentarismus.

"A star is born"

In zahlreichen Live-Tickern, Analysen von unserem Korrespondenten Sebastian Borger und Berichten sowie Kommentaren aus der Redaktion lernten wir alle viel und konnten Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, hoffentlich einiges erklären und verständlich machen.

ODN

Wir erfuhren dabei Kurioses: Von mehr als 400 Jahre alten Präzedenzfällen bezüglich der Geschäftsordnung, vom Dresscode im Parlament (keine Rüstungen und keine T-Shirts), von der roten Bianca-Linie am Boden, die die Abgeordneten traditionell nicht überschreiten dürfen, um sich in einer Degenlänge Abstand in Sicherheit nur rein verbal zu duellieren, bis hin zu der Tatsache, dass die Katze des neuen Forum-Lieblings Speaker John Bercow tatsächlich "Order" heißt, wie er es so einmalig in absoluter Regelmäßigkeit hinausposaunt, um die "right honourable ladies and gentlemen" wieder einmal zurechtzupfeifen.

Ein Brexit-Ende ist derzeit – Verschiebung hin oder her – noch nicht abzusehen. Wir werden weiter berichten und hoffen damit weiterhin auf großes Interesse bei Ihnen zu stoßen. (Fabian Sommavilla, Sebastian Kienzl, 21.3.2019)